Die Verkehrsbetriebe in Helsinki haben einen Busdienst gestartet, der das herkömmliche Fahrplansystem hinter sich lässt und stattdessen wie ein persönlicher On-Demand-Transportservice à la Uber funktioniert. Das Pilotprojekt gibt einen Vorgeschmack auf die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs im mobilen Zeitalter.

Wenn der Erfolg von On-Demand-Transportdiensten wie Uber oder MyTaxi etwas zeigt, dann, dass Menschen ein großes Interesse an bequemer, smarter Mobilität haben. Doch dummerweise sind Limousinendienste und (intelligente) Taxiangebote als dauerhaftes Fortbewegungsmittel für die breite Masse zu teuer (auch wenn Wundercar das ändern möchte). Zudem ist es schlicht ineffizient und aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten fragwürdig, wenn eine Vielzahl von Personen zum selben Zeitpunkt die gleichen Strecken befährt, das jedoch in unterschiedlichen, jeweils Abgase verursachenden und die Straßen verstopfenden Fahrzeugen.

Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Stärken internetgetriebener On-Demand-Beförderungsdienste mit den Vorzügen des öffentlichen Personennahverkehrs kombinieren lassen. Denn Busse und Bahnen lösen das soeben beschriebene Effizienzproblem bekanntlich mit Erfolg seit über einem Jahrhundert, zwingen Fahrgäste jedoch zu Kompromissen bei Komfort und Flexibilität. Zumindest in Helsinki lautet die Antwort: Ja! Dort ist ein Hybrid aus Uber und Linienbus seit dem vergangenen Jahr Realität.

Bus rufen per Smartphone

Der vom staatlichen ÖPNV-Betreiber Helsinki Regional Transport Authority (HSL) lancierte Dienst namens Kutsuplus erlaubt Fahrgästen im Raum Helsinki die On-Demand-Buchung von Busfahrten. Wie bei den Limousinenservices reservieren Nutzer eine Fahrt über das Smartphone. Der Bus holt sie daraufhin zum definierten Zeitpunkt vom vereinbarten Haltepunkt ab. Ein Auflesen direkt vor der eigenen Haustür wird zwar nicht garantiert, allerdings gibt es bei Kutsuplus auch keine offiziell markierten Haltestellen. Das System entscheidet je nach Situation und aktuellem Standort des Passagiers, wo dieser zusteigt. An Bord der mit mindestens neun Sitzen ausgerüsten Kleinbusse halten auf einem Display abgebildete Informationen die Fahrgäste über den Stand ihrer Reise auf dem Laufenden. Anstatt vorgegebener Routen mit festen Fahrplänen hängt die gewählte Route von den Zielen der Mitfahrenden ab. Wenn eine direkte Fahrt zur gewünschten Adresse nicht möglich ist, dann serviert die Kutsuplus-App Gehanweisungen vom Augenblick des Aussteigens.

Bezahlt wird per Prepaid-Guthaben im Vorfeld einer Fahrt. Damit minimiert Kutsuplus das Nichterscheinen von Fahrgästen. Wer zum bei der Bestellung angegebenen Zeitpunkt nicht am Abholort erscheint, verliert sein Recht auf die Fahrt. Der Fahrpreis setzt sich aus einer Basiskomponente von 3,50 Euro plus 0,45 Euro pro gefahrenem Kilometer zusammen. Das ist teurer als ein herkömmliches Ticket für Helsinkis ÖPNV, aber deutlich günstiger als Taxis oder andere Privatbeförderer.

3,2 Millionen Euro Budget für 2014

Im aktuellen Testbetrieb kommen insgesamt 15 Kutsuplus-Busse von Montag bis Freitag zwischen 6:00 Uhr und 23:00 Uhr zum Einsatz. Gemäß dieses finnischen Medienberichts wurden im Dezember 2.500 Fahrten durchgeführt, im Januar waren es 3.500. Von einer umfangreichen Marketingkampagne sieht die Transportbehörde bislang ab, da die Kapazitäten für einen größeren Ansturm noch nicht ausreichen. Die veranschlagten Kosten für das laufende Jahr betragen 3,2 Millionen Euro.

Im selben Artikel ist auch zu lesen, dass die anfängliche Skepsis des Taxiverbands der finnischen Hauptstadt gegenüber dem Angebot mittlerweile einer positiveren Haltung gewichen ist. Jetzt sieht die Taxibranche sogar die Chance, von der geplanten Kutsuplus-Expansion zu profitieren, weil Fahrer einzelne Touren von Passagieren an ungünstig gelegenen Orten übernehmen könnten.

Die Zukunft des ÖPNV

Kutsuplus ist eines der aufregendsten und wegweisendsten Mobilitätskonzepte seit langem. Während unzählige Startups sich auf die (lukrative) Verbesserung der Individualbeförderung in Taxis und Limousinen konzentrieren, hat sich im ÖPNV vergleichweise wenige geändert. Dabei bietet es sich speziell bei den nicht schienengebundenen Bussen an, mit einem Abweichen vom sturen, unflexiblen Fahrplanmodell zu experimentieren. In einem Zeitalter, in dem bald jeder Mensch mit einem Smartphone ausgestattet ist, erscheint es vollkommen ineffizient, dass auf bestimmten Routen zwei Menschen in einem riesigen Bus sitzen, während auf einer anderen Strecke Fahrgäste einander auf die Füße treten. Mit klugen Algorithmen, einer Echtzeit-Bedarfsanalyse und einer Einbindung von Smartphones zur Koordination von Fahrten und Bedarf existieren viele Optionen, um den busgebundenen ÖPNV aus dem analogen Zeitalter herauszuholen.

In einer Welt der perfekten Mobilität wäre die Nachfrage nach On-Demand-Individualfahrdiensten verschwinden gering. Ich glaube, einen solchen Zustand zu erreichen, ist nicht so utopisch wie es klingt. Die Verantwortlichen im öffentlichen Personennahverkehr müssen lediglich erkennen, was für eine massive Optimierung des Betriebs sich ihnen dank des mobilen Internets bietet. Und sie benötigen natürlich den Mut und die finanziellen Mittel, um Neues auszuprobieren.

Autor: Martin Weigert von netzwertig.com | Foto: Helsinki Transit Authority