Ein Blick hinter die Kulissen eines besonderen EU-Projekts
Grenzen spielen im Alltag vieler Menschen in der Euregio Maas-Rhein eine immer geringere Rolle – zumindest in der Theorie. In der Praxis jedoch gibt es zahlreiche Herausforderungen, die ein nahtloses und nachhaltiges öffentliches Verkehrsnetz über Staatsgrenzen hinweg erschweren. Genau hier setzt das INTERREG-Projekt TRANSIT an. Im Gespräch mit Dr. Dominik Elsmann, dem Leiter der Euregionalen Koordinierungsstelle beim AVV, wurde schnell klar: TRANSIT ist nicht nur ein komplexes EU-Projekt, sondern auch eine echte Herzensangelegenheit für die Beteiligten.

Hinter dem Akronym TRANSIT verbirgt sich das „Transnational Regional Administration Network for Sustainable Integrated Transport“. Auch wenn der Name zunächst sperrig klingt, steckt dahinter ein klarer Auftrag: Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Sachen öffentlicher Nahverkehr soll effizienter, nachhaltiger und bürgernäher gestaltet werden.
Zwei Ziele, viele Wege
TRANSIT verfolgt zwei Hauptziele: Erstens die nachhaltige Stärkung der grenzüberschreitenden Kooperation durch den gezielten Ausbau tragfähiger Governance-Strukturen. Zweitens die konkrete Verbesserung von Mobilitätsangeboten, die den Alltag der Menschen in der Euregio Maas-Rhein spürbar erleichtern sollen.
Im Zentrum steht eine einfache, aber entscheidende Frage: Wer muss mit wem sprechen, damit Mobilitätsprojekte im Dreiländereck nicht nur geplant, sondern auch umgesetzt werden können? Denn oft sind es nicht fehlende Ideen oder Mittel, sondern mangelnde Abstimmung, die gute Vorhaben ausbremsen. Genau hier setzt TRANSIT an. Das Projekt will bestehende Kommunikationsbarrieren abbauen, neue Partnerschaften etablieren und eine Kultur der Zusammenarbeit schaffen. „Es geht darum, dass sich die richtigen Leute kennen, Vertrauen aufbauen und gemeinsam an einem Strang ziehen,“ erklärt Dr. Dominik Elsmann. Dabei werden nicht nur Verwaltungen und Verkehrsunternehmen, sondern auch Hochschulen, Softwareanbieter und Mobilitätsinitiativen eingebunden. TRANSIT versteht sich somit als Plattform, die aus vielen Einzelteilen ein funktionierendes grenzüberschreitendes Mobilitätssystem formt.
Ein starkes Netzwerk
Das Projekt wird von einem breiten Konsortium getragen, dem Partner aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden angehören. Auf deutscher Seite sind unter anderem der Aachener Verkehrsverbund, die Stadt Aachen, die ASEAG, die FH Aachen sowie das Unternehmen Better Mobility vertreten. Letzteres ist unter anderem für digitale Innovationen wie KI-gestützte und barrierefreie Fahrplanauskünfte zuständig.
In Belgien engagieren sich beispielsweise die SNCB (belgische Bahn) und TEC (Wallonisches Verkehrsunternehmen). In den Niederlanden sind Arriva, der Museumsbahnverein ZLSM sowie das Raumforschungsinstitut ITEM der Universiteit Maastricht beteiligt.


Vier Arbeitspakete, 1 Ziel: Das Projekt ist in vier zentrale Arbeitspakete gegliedert, die verschiedene Aspekte einer besseren Mobilität in der Euregio abdecken.
1. Bessere Governance
Im Fokus steht der Aufbau und die Stärkung von Netzwerken zwischen relevanten Akteuren im ÖPNV. Hierzu zählen sowohl öffentliche Einrichtungen als auch private Unternehmen. Besonders hervorzuheben ist das betriebliche Mobilitätsmanagement: Die Stadt Aachen arbeitet etwa mit Unternehmen zusammen, um die Verkehrsmittelwahl der Mitarbeitenden nachhaltiger zu gestalten. Möglichkeiten wie Jobtickets, Mobilitätsbudgets, Dienstradleasing oder Wettbewerbe zur Fahrradnutzung werden hier getestet und weiterentwickelt. Ziel ist es, diese Ansätze auch auf Partnerregionen in Belgien und den Niederlanden zu übertragen. „Wir wollen sicherstellen, dass die Leute, die für ÖPNV verantwortlich sind, sich kennen und wissen, an wen sie sich wenden müssen,“ sagt Dr. Dominik Elsmann.
2. Stärkung grenzüberschreitender Verbindungen
Um das Verkehrsangebot über die Grenzen hinweg zu verbessern, analysiert die FH Aachen Verkehrsströme in der Euregio Maas-Rhein. Daraus entstehen Machbarkeitsstudien zu neuen oder erweiterten Verbindungen. Untersucht wird zum Beispiel, ob die bestehende Bahnlinie Aachen – Lüttich bis nach Köln bzw. Brüssel verlängert werden kann oder ob eine neue Verbindung nach Eindhoven realisierbar ist. Auch die Anbindung der Museumsbahn ZLSM an das reguläre Schienennetz wird geprüft. „Wir wollen uns den Themen annehmen, die grenzüberschreitende Mobilität in Summe ausmachen – und zeigen, wo noch Lücken sind,“ erklärt Dr. Elsmann. Zusätzlich wird das Konzept sogenannter Leisure Ports untersucht – Sammelpunkte am Rand ländlicher Gebiete, von denen der Umstieg auf den ÖPNV erfolgen kann.
3. Digitale Lösungen
Mit „Euregio GPT“ entsteht ein KI-gestütztes, mehrsprachiges Tool, das Informationen zu Freizeitangeboten und ÖPNV in der Region bündelt. Better Mobility entwickelt somit einen Ansatz für ein besseres und barrierefreies Informationsangebot für Mobilität in der Grenzregion. Darüber hinaus wird ein digitaler Baustein für Mobilitätsbudgets untersucht, damit Mitarbeitende ihre Mobilitätsoptionen flexibel per App verwalten können. Diese technischen Lösungen sollen bestehende Angebote sinnvoll grenzüberschreitend erweitern. „Wir wollen die Menschen aus ihren Autos holen – mit smarten Angeboten, die über die Grenze hinweg funktionieren,“ fasst Dr. Elsmann zusammen.
4. Evaluation & Monitoring
Wie erfolgreich ist TRANSIT wirklich? Diese Frage steht im Zentrum des letzten und vierten Arbeitspakets. Gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern werden Indikatoren definiert, mit denen Fortschritte messbar gemacht werden können. Ziel ist es, nicht nur subjektive Eindrücke, sondern auch belastbare Daten zur Verbesserung der Zusammenarbeit, der Verkehrsverlagerung und zur Nutzung neuer Angebote zu sammeln. So wird TRANSIT selbst zum lernenden Projekt.
3,1 Millionen Euro für die Zukunft der Region

TRANSIT wird mit über 3 Millionen Euro gefördert. Die Hälfte stammt aus EU-Mitteln, 30 Prozent vom Land NRW, die restlichen 20 Prozent bringen die NRW-Projektpartner selbst auf. Für den AVV bedeutet das knapp 900.000 Euro zur Umsetzung konkreter Maßnahmen in der Region. Im Mai 2025 findet das offizielle Kick-off-Event in Aachen statt. Wir werden für euch natürlich alle Eindrücke sammeln und sie auf dem Instagram-Account des Aachener Verkehrsverbundes mit euch teilen. Und dann? Beginnt die inhaltliche Arbeit richtig – mit einem ambitionierten Zeitrahmen von drei Jahren. Ziel ist es, greifbare Verbesserungen zu erzielen, die den Verkehrs-Alltag der Menschen in der Region spürbar erleichtern. Ob bessere Zugverbindungen, klügere Ticketlösungen oder neue digitale Dienste: TRANSIT will beweisen, dass europäische Zusammenarbeit nicht nur auf dem Papier funktioniert, sondern ganz konkret vor Ort.