Jahr für Jahr entstehen der Deutschen Bahn mehr als 17 Mio. Euro Schaden durch Buntmetalldiebstahl. Doch was macht die Bahn, um den Dieben das Handwerk zu legen? Eine wichtige Rolle spielt künstliche DNA.
Der Zugverkehr zwischen Aachen und Köln läuft gut an diesem Dienstagabend. Plötzlich wird im Stellwerk ein Abschnitt der Strecke zwischen Düren und Horrem rot dargestellt. Normalerweise bedeutet das, dass ein Zug den Gleisabschnitt belegt, gerade ist aber kein Zug in diesem Bereich unterwegs. Für den Fahrdienstleiter klares Zeichen einer technischen Störung. Die Signale in diesem Bereich lassen sich nicht mehr auf „grün“ stellen, bleiben auf „rot“, der Zugverkehr steht still. Der Fahrdienstleiter informiert den Störungsdienst. Die DB-Techniker und die hinzugerufenen Beamten der Bundespolizei stellen fest, dass mehrere hundert Meter Kupferkabel aus einem Kabelkanal neben den Gleisen gestohlen wurden. Damit werden die Informationen von der Strecke und den Signalen nicht mehr ins Stellwerk übertragen. Das Sicherungssystem sorgt dafür, dass vorläufig alle Signale auf „rot“ bleiben.
Züge aus beiden Richtungen stauen sich vor dem Streckenabschnitt. Dutzende Züge mit Tausenden Fahrgästen werden ihr Ziel nicht pünktlich erreichen. Erst allmählich kommt der Zugverkehr wieder in Gang, zunächst nur auf einem von vier Gleisen. Es dauert bis zum Mittwochvormittag, bis der Schaden behoben ist und die Züge wieder in beiden Richtungen mit normaler Geschwindigkeit rollen. Nur ein Beispiel für ein Phänomen, das die Deutsche Bahn regelmäßig trifft: der Buntmetalldiebstahl.
Hohe Rohstoffpreise locken Diebe an
Die Diebe haben es vor allem auf Materialien wie Kupfer, Aluminium und Bronze abgesehen, deren Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt in den vergangenen Jahren stark angestiegen sind. Geklaut werden Fahrleitungsdrähte, Tragseile, Telefondrähte, Erdungskabel, Kleineisenteile, Verbindungsstücke und sogar Schienenstücke.
Die weiterhin hohen Materialpreise sind unter anderem auch ein Grund dafür, warum die Reparaturkosten trotz der rückläufigen Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr nahezu konstant geblieben sind: Der materielle Schaden, der durch die Buntmetalldiebstähle im Jahr 2013 entstanden ist, beläuft sich auf mehr als 17 Mio. Euro. Noch nicht eingerechnet sind dabei die Personalkosten, die für Ermittlungen und Reparaturen anfallen sowie Schäden, die der DB durch Zugausfälle entstehen.
Die materiellen Schäden sind jedoch nur die eine Seite. Ebenso schwerwiegend sind die betrieblichen Auswirkungen – und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste. Werden zum Beispiel die Erdungskabel der Oberleitung oder Telekommunikationskabel für die Sicherungstechnik entwendet, muss eine Strecke komplett gesperrt werden und es kommt zu Zugausfällen und Verspätungen. 2013 hatten rund 10.000 Züge ca. 135.000 Verspätungsminuten durch Metalldiebe. Hinzu kommt ein nicht unmittelbar messbarer Imageschaden.
Wichtig: Von Buntmetalldiebstählen gehen keine Gefahren für Kunden aus. Wird ein Signalkabel durchtrennt, schalten alle Signale im Streckenabschnitt auf Rot. Denn das Sicherheitssystem ist so angelegt, dass bei einer Störung, sei es aufgrund von Bauarbeiten oder eben durch Sabotage, der Verkehr automatisch und sicher zum Stillstand kommt.
Vorrangig organisierter Bandendiebstahl
Der überwiegende Teil der Diebstähle wird von professionellen Gruppen verübt. Sie bringen das erbeutete Metall schnell ins Ausland, um es dort zu verkaufen. Es gibt aber auch Kleinkriminelle und Einzeltäter, die versuchen, ihre Haushaltskasse durch den Verkauf von ein paar Kilo Buntmetall aufzubessern. Ihre Beute bringen sie zu lokalen Schrotthändlern. Ein Teil der Strategie im Kampf gegen den Metalldiebstahl ist daher die Zusammenarbeit mit Metallhändlern, um den Dieben die Absatzwege abzuschneiden.
Zum Teil rücken die Diebe sogar mit Lastwagen und Kran an, um sich an den Bahnanlagen zu schaffen zu machen. Ein riskantes Unterfangen: Durch den Zugbetrieb und 15.000 Volt Spannung in der Oberleitung begeben sich die Täter in Lebensgefahr.
Doch das Risiko erwischt zu werden ist hoch – jeder fünfte Dieb wird gestellt. Die DB geht zivilrechtlich konsequent gegen die Täter vor und bringt jeden Diebstahl von Buntmetall zur Anzeige. Die Schadensersatzforderungen beschränken sich dabei nicht allein auf den Materialwert. Auch die Kosten, die durch die Einschränkungen im Zugverkehr entstehen, fordert die DB von den Tätern zurück. Bei Metallteilen im Wert von 100 Euro können so schnell mehrere 100.000 Euro Schadensersatz zusammenkommen.
Der Diebstahl von Teilen der Bahnanlage ist eine Straftat und zieht damit strafrechtliche Konsequenzen für die Täter nach sich. Nach dem Strafgesetzbuch wird Diebstahl mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft. In besonders schweren Fällen oder bei einer Gefährdung des Bahnverkehrs kann die Strafe sogar bis zu zehn Jahre betragen.
Sicherheitsmaßnahmen greifen
Der verstärkte Einsatz von Sicherheitspersonal in Uniform und zivil soll den Kriminellen das Handwerk legen. An Brennpunkten gehen DB und Bundespolizei gemeinsam gegen die Diebstähle vor. Zusammen mit der Bundespolizei hat die DB außerdem eine Informationsbroschüre an Metallhändler verteilt, die vor dem Ankauf gestohlener Ware warnt und die am häufigsten gestohlenen Teile in Text und Bild darstellt.
Gemeinsam mit der Deutschen Telekom, RWE und dem Verband Deutscher Metallhändler hat die DB zudem eine Sicherheitspartnerschaft gegründet, um gegen Buntmetalldiebstähle mit vereinten Kräften vorzugehen. Ziel des Bündnisses ist es, den Metalldiebstahl vom Tatort bis zum Absatz einzudämmen. Kernstück der Zusammenarbeit bildet ein elektronisches Frühwarnsystem, mit dem sich die Mitglieder untereinander über aktuelle Metalldiebstähle informieren und so den Absatz des gestohlenen Materials erschweren.
Zudem wurde gemeinsam mit Polizei, Zoll und anderen europäischen Bahnen eine grenzüberschreitende Initiative gegen Metalldiebstahl gestartet. Dabei kommen vor allem auch die Metallhändler in anderen europäischen Ländern in den Fokus, um die Absatzwege außerhalb Deutschlands zu unterbrechen. Ein gemeinsamer Vorschlag ist beispielsweise die pauschale Einführung von bargeldlosen Zahlungen, um Kriminelle abzuschrecken.
Künstliche DNA für Kabel und Anlagen
Darüber hinaus werden neue Methoden genutzt, um die Diebstähle unattraktiv zu machen. Soweit technisch möglich, wird der Anteil von hochwertigem Kupfer durch billigere Metalle ersetzt – beispielsweise bei den so wichtigen Erdungskabeln.
Als weltweit eines der ersten Eisenbahnunternehmen kennzeichnet die Deutsche Bahn seit 2011 Kabel und Anlagen mit künstlicher DNA. Dazu wird eine für die Täter unsichtbare Flüssigkeit mit dem künstlichen DNA-Code auf das Material aufgesprüht. Bei der Betrachtung unter einem Mikroskop wird ein holografisches Logo der DB erkennbar. Das so gekennzeichnete Material kann eindeutig der Deutschen Bahn als Eigentümerin zugeordnet werden. Ein zweiter Code verrät, wo das gefundene Material gestohlen wurde. Der Code besteht aus winzigen Metallteilchen (mikrolithographische Plättchen), auf die eine Codierung aufgeätzt worden ist. Die Partikel sind resistent gegen Sonne, Frost, Regen und Feuer.
Künstliche DNA lässt sich in vielen Varianten herstellen – so kann die DB die Buntmetalle auf jedem Streckenabschnitt und auf jeder Baustelle mit individuellen Codes markieren. Die künstliche DNA ist zudem sehr widerstandsfähig. Versuchen die Metalldiebe die Markierung zu entfernen, indem sie die Metallteile zersägen oder Kabelmäntel entfernen, landet das DNA-Material auf Werkzeugen, Kleidung und Händen. Mittels ultravioletten Lichts ist der Beweis für den Diebstahl schnell erbracht.
Maßnahmen zeigen Wirkung
Die Maßnahmen haben sich in der Praxis bewährt. 2013 wurden mit 1.750 Diebstählen rund 40 Prozent weniger Taten begangen als im Vorjahr. Fast 450 Täter konnten dank des verstärkten Einsatzes von Sicherheitspersonal und künstlicher DNA festgenommen werden. Die grenzüberschreitende Initiative gegen Metalldiebstahl wird den Absatz des Diebesguts weiter erschweren.
Trotz aller Erfolge im Kampf gegen den Metalldiebstahl steht eines fest: Es ist in einem Streckennetz von 34.000 Kilometern Länge nahezu unmöglich, jeden Meter Kabel und alle Metallteile zu überwachen.
Fotos: Deutsche Bahn AG