20 Jahre hatte er seine Heimat auf dem Betriebshof der ASEAG auf der Hüls in Aachen – der alte Straßenbahntriebwagen 1016, der 1968 aus Mönchengladbach nach Aachen kam. Gestern nun endete auch diese Ära in Aachen: Mönchengladbach holte den »verlorenen Sohn« zurück in seine erste Heimat.

In den frühen Morgenstunden des 8. September 2014 begannen auf dem Betriebshof der ASEAG die Vorbereitungen zur Verladung des historischen Straßenbahn-Triebwagen 1016, welcher in Mönchengladbach als Trieb­wagen 26 seine Runde drehte. Ein Autokran hob das knapp 20 Tonnen schwere Fahrzeug mühelos auf den Schwer­lasttransporter. Die Reise in seine frühere Heimatstadt Mönchengladbach über die Autobahn, wo er neugierige Blicke der vorbeifahrenden Verkehrs­teil­nehmer auf sich zog, verlief reibungslos und dauerte rund 90 Minuten.

Mönchengladbach war bis in die 1950er-Jahre der westliche Außenposten im Netz der rheinisch-westfälischen Straßenbahnen – das damals größte europäische Schienen-Nahverkehrssystem, das von Bonn bis Dinslaken und von Waldniel bis Unna untereinander Verbindung hatte. Dem verkehrspolitischen Zeitgeist folgend verabschiedete sich Mönchengladbach – so wie andere Städte – in den 1960er-Jahren vorzeitig vom schienengebundenen Nahverkehr.

Am 15. März 1969 schickte die Stadt ihre Straßenbahn, die 72 Jahre lang das Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs in Gladbach und Rheydt war, in den Ruhestand. Das einst ausgedehnte Schienennetz reichte von Süchteln und Dülken im Norden bis nach Wickrath im Süden, sogar eine Städteverbindung nach Krefeld über Schiefbahn existierte. Noch Mitte der 1950er-Jahre beschlossen die damaligen Stadtwerke, moderne Großraum- und Gelenktriebwagen anzuschaffen, um den Wagenpark grundlegend zu modernisieren. Als erstes Fahrzeug dieser neuen Generation, die vom Düsseldorfer Hersteller Düwag entwickelt worden war, wurde der vierachsige Triebwagen 26 im April 1957 ausgeliefert. Ihm folgten fünf baugleiche Fahrzeuge.

Als Mitte der 1960er-Jahre absehbar war, dass die Straßenbahn in Mönchengladbach und Rheydt trotz aller Modernisierungsmaßnahmen keine Zukunft mehr haben würde, machte man sich auf die Suche nach Käufern für die noch jungen Fahrzeuge. Fündig wurde man u.a. in Aachen, wohin Triebwagen 26 im Oktober 1968 überführt wurde. Doch die Einsatzzeit in Aachen währte nicht lange. Auch dort standen alsbald die Zeichen auf Stilllegung. Der letzten »Elektrischen« wurde 1973 der Strom abgeschaltet.

Da die Düwag-Fahrzeuge überaus robust konstruiert und zuverlässig im Betrieb waren, fanden sich abermals Käufer für einige Exemplare. Triebwagen 26, in Aachen mit der Betriebsnummer 1016 versehen, blieb mit seinem Verkauf an die Mainzer Straßenbahn, wo er die Nummer 210 erhielt, dem Rheinland im weitesten Sinne treu. Erst 1988, 31 Jahre nach Indienststellung, wurde das Fahrzeug nicht mehr Linienverkehr eingesetzt. Zunächst verblieb der Wagen im Bestand der Mainzer Straßenbahn, bevor der Verkehrsbetrieb in Aachen sich seiner schienengebundenen Vergangenheit besann und diesem auch dort wichtigen Kapitel der Nahverkehrsgeschichte ein Denkmal setzen wollte. Man erinnerte sich an Triebwagen 210 bzw. 1016 und so fand er 1993 seinen Weg zurück in die Kaiserstadt. Dort wurde er aufwendig restauriert und anschließend 20 Jahre auf dem Busbetriebshof ausgestellt. Gestern wird dieses Stück Mönchengladbacher Stadt- und Verkehrsgeschichte wieder in die alte Heimatstadt zurückgeholt.

Gestern ging der Triebwagen 26 per Tieflader auf die Reise nach Mönchengladbach, 46 Jahre nachdem er den Weg in umgekehrte Richtung antrat. Er wird wettergeschützt in einer ehemaligen Fabrikhalle abgestellt. Die optische Aufarbeitung, die ihn nach deren Abschluss wieder in Mönchengladbacher Farbgebung Creme mit blauen Zierstreifen zeigt, wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Angestrebt ist, ihn zu seinem 60. Geburtstag im Jahr 2017 der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Fotos: 1 – 8 Roland Schulteis, 9 und 10 Stephan Voelker, 11 und 12 ASEAG