Der Ringschluss naht: Die Strecke ist so gut wie fertig, letzte kleine Restarbeiten laufen. Die Chance für die Stolberger Feuerwehr, den Notfall zu üben. Eine euregiobahn sitzt auf der neuen Strecke in der Unterführung im Trogbauwerk Lehmsiefen fest. Es brennt – jetzt ist der Lösch- und Bergungstrupp dran.
Am Ende steht fest, dass für einen Ernstfall weiter geübt werden soll. Erst recht deshalb, weil man wichtige Erkenntnisse bei dieser Übung erlangt hat. Bevor am 30. Mai die ersten Testfahrten für den Ringschluss der euregiobahn zwischen Stolberg und Herzogenrath am 12. Juni aufgenommen werden, hat die Stolberger Feuerwehr die Gelegenheit genutzt, mit den Kräften der Hauptwache sowie der Löschgruppen Atsch, Büsbach Donnerberg, Mitte und Münsterbusch wenig bekanntes Terrain zu erkunden: das Trogbauwerk im Lehmsiefen nahe dem Bahnübergang Steinbachstraße.
In der dortigen Unterführung der DB-Hauptstrecke zwischen Köln und Lüttich blieb ein Triebwagen der euregiobahn „stecken“ – brennend und mit verletzten Fahrgästen besetzt. Dies war zumindest die angenommene Ausgangslage, die sich angesichts der örtlichen Verhältnisse aber als kniffliger als gedacht herausstellte.
Weitere Übung bei der Bahn folgt
Die Stolberger Feuerwehr, die noch vor zwei Jahren an einem Kesselwaggon den Umgang mit Chemikalien übte, ist zwar durchaus geübt im Umgang mit der Bahn, aber in Details besteht durchaus noch Optimierungsbedarf. „Wir müssen mit einer Stimme sprechen“, bringt es Stefan Litzel auf den Punkt. Als der Brandamtsrat von einer „Entgleisungsanlage“ spricht, beschwert sich Uli Merten. „Wir lassen Züge doch nicht entgleisen“. Der Eisenbahnbetriebsleiter der EVS spricht lieber von einer „Führungsschiene“.
Jedenfalls hat dieser zusätzliche Gleisstrang, der im Falle einer Entgleisung einen Waggon auf dem Gleiskörper im Kurvenbereich des 290 Meter langen Betontrogs geschützt führt, es in sich. Er ist fast zwei Zentimeter zu hoch für die Draisinen, mit denen die Feuerwehr zwischen ihren Fahrzeugen und der Einsatzstelle mehrfach pendeln muss, um das erforderliche Einsatzmaterial heranzuführen und Verletzte in Sicherheit zu bringen. Die von Hand geschobenen Arbeitsbühnen für die Schiene setzen auf der Führungsschiene auf. „Jetzt müssen wir sehen, wie wir unsere Fahrzeuge anpassen können“, sagt Litzel.
Doch das ist vermutlich noch das kleinere Problem für die Wehr. Sie weiß, dass der nächste Hydrant für die Wasserzufuhr erst in der 500 Meter entfernten Steinbachstraße zu finden ist. Im Bereich der 350 Meter entfernten Waldschneise auf der anderen Tunnelseite fehlt ein Wasseranschluss gänzlich. Im Falle des Falles muss ausreichend Schlauchmaterial herangeführt und notfalls ein Pendelverkehr mit Tankfahrzeugen eingerichtet werden.
Während das ein eher alltägliches Geschäft für geübte Feuerwehrleute ist, stellt sich so ein in Aachen hergestellter Talent-Triebwagen aber als wenig bekanntes Wesen heraus. Zusätzlich ist es eng in dem Trogbauwerk. Kaum ein Meter Bewegungsfreiheit verbleibt unter der Überführung, um Menschen aus dem Waggon bergen und transportieren zu können. Nicht ganz realistisch hat Zugführer Ralf Rumiej die Retter mit geöffneten Türen erwartet, obwohl er neben den Jungs der Jugendfeuerwehr einen Verletzten mimt, der sicher geborgen werden will. „Wie bekommen wir denn von außen die Türe auf?“, fragt sich nicht nur Hauptbrandmeister Hubert Fröschen. „Und wie sieht es mit den Bremsen aus?“ Wie bekommt man sie los, wenn sie fest sind, und fest, wenn sie gelöst sind? „Auf jeden Fall müssen wir einen Bremsschuh auf unseren Draisinen mitnehmen“, sagt Litzel, der ebenso wie Stadtbrandinspektor Christoph Baumanns und Zugführer Wolfgang Scholz den Ausführungen der Fachleute lauschen.
Hans Kelzenberg und Peter Jaspers vom Notfallmanagment der DB Regio, sowie Franz Welfens, der für die Euregio Maas-Rhein zuständige Teilnetzmanager der DB Regio, haben für alle Fragen die passenden Antworten parat. So gilt unter Eisenbahnern ein DB-Vierkant als Lösung für fast alle Probleme, doch hat der Schlüssel andere Maße als das vergleichbare Werkzeug der Feuerwehr. Doch was für den bei der Übung eingesetzten Triebwagen gilt, muss nicht automatisch für andere Baureihen der gleichen Marke richtig sein – und schon einmal gar nicht bei den Doppelstockwagen oder den ICE- und Thalys-Zügen.
„Am besten kommt ihr einfach einmal bei uns vorbei“, bieten Hans Kelzenberg und Peter Jaspers an. Beim Notfallmanagement der DB Regio dürfen die Feuerwehrleute in aller Ruhe an unterschiedlichen Baureihen üben und die notwendigen Handgriffe einstudieren. Stefan Litzel und seine Kameraden sind begeistert. „Dieses Angebot nehmen wir auf jeden Fall dankbar an.“ Dabei ist der stellvertretende Wachleiter schon in Gedanken bei den übrigen Stolberger Löschgruppen. Denn sollte der Ernstfall eintreten, werden nicht nur Wache und Zweiter Zug vor Ort sein. „Dann kommen wir mit allen Mann.“ Das dürfte auch erforderlich sein. „Als vor vier Jahren eine euregiobahn bei Eilendorf in Flammen aufging, hat die Feuerwehr drei Stunden lang gelöscht“, erinnert sich Kelzenberg. Der ist ebenso dankbar und beeindruckt vom Interesse und Engagement der Stolberger Feuerwehr wie wir: Alle Achtung!
Text und Fotos: Jürgen Lange