Bei der Bahn kommt es auf die Zeit an! Alle Züge müssen nach einem Fahrplan fahren, damit der Bahnbetrieb reibungslos laufen kann. Anschlüsse von einem Zug zum anderen sind zu erreichen. Güter müssen »just in time« beim Empfänger sein. Das alles kann nur funktionieren, wenn es eine Konstante gibt, an die sich alle halten: die Uhrzeit.
An diesem Wochenende werden die Uhren umgestellt. Die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ) beginnt immer am letzten Sonntag im März eines Jahres und endet am letzten Sonntag im Oktober eines Jahres. Außerhalb dieses Zeitraums gilt die »normale« Mitteleuropäische Zeit (MEZ). Wie schafft die Bahn es, alle Uhren pünktlich umzustellen und wie funktionieren die Uhren bei der Bahn?
Der Zeigersprung
Mit dem Zeigersprung des Minutenzeigers auf die nächste Minute soll sich der Zug in Bewegung setzen. Besonderheit bei der Bahn: Der Sekundenzeiger hält kurz davor für zwei Sekunden inne. Um diese Zeit zu gewinnen, benötigt der Sekundenzeiger für den Weg »rund um die Uhr« nur 58 Sekunden. Die Ruhepause dient dem ständigen Abgleich aller Uhren innerhalb eines Bahnhofes bzw. innerhalb eines Uhrensystems.
Das Langwellenfunksignal DCF 77 versorgt seit dem 1. Januar 1959 alle Uhren der Bahn stets mit dem gleichen Zeitsignal. Der mit der Atomuhr der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig gekoppelte Sendersteht in Mainflingen bei Aschaffenburg. Zum Abgleich der Zeit empfangen alle Bahnfunkuhren das Rufzeichen DCF77 dreimal stündlich als Morsezeichen während der Minuten 19, 39 und 59. Bis heute schreibt die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) in § 47, Abs. 5 vor: »Die Betriebsbeamten sind verpflichtet, für die sichere und pünktliche Durchführung des Eisenbahnbetriebs zu sorgen. Sie haben, soweit erforderlich, eine richtig zeigende Uhr zu tragen.«
Wusstet ihr, dass die Deutsche Bahn insgesamt 120.000 Uhren betreibt? Rund 17.000 Uhren stehen auf den Bahnhöfen, damit ihr stets die aktuelle Uhrzeit im Blick habt: einseitig sichtbare, doppelseitig sichtbare, historische, moderne 6.000 Uhren werden heute schon per Funksignal gesteuert. 2.500 so genannte Mutteruhren steuern eine bestimmte Zahl anderer Uhren, die mit der Mutteruhr zusammenhängen und immer die gleiche Zeit anzeigen.
Mehr als 60 Zeitzonen in Deutschland
Im 19. Jahrhundert gab es mehr als 60 Zeitzonen in Deutschland. Große Städte legten ihre »Ortszeit« nach Sonnenstand in eigener Verantwortung fest. Das führte dazu, dass zwischen zwei benachbarten Orten ein Zeitunterschied von mehreren Minuten bestehen konnte. Mit diesen Zeitunterschieden hatten auch die Eisenbahngesellschaften in Deutschland bei der Abwicklung ihres Betriebes Probleme. Aus der Zeit stammt auch die noch heute gültige Vorschrift, nach der jeder Eisenbahner und insbesondere jeder Lokführer eine genau gehende Uhr mit sich zu führen hat. Diese zeigte die maßgebliche Zeit. Die richtiggehende Taschenuhr wurde zum Statussymbol der Lokführer; sogar ein Wettstreit um die geringste Abweichung von der Referenzzeit entzweite die Lokführer. Das Deutsche Reich führte auf Drängen der Eisenbahngesellschaften 1893 die »Mitteleuropäische Zeit« ein. Somit kann die Eisenbahn als Initiator der Zeitsynchronisation in Deutschland bezeichnet werden.
Damit begann die Ausbreitung der mechanischen Bahnuhr, die nach einem bestimmten Ritual zweimal pro Woche aufgezogen werden musste, um die Ganggenauigkeit zu gewährleisten. Aus dieser Notwendigkeit leitete man die Mutteruhr (Hauptuhr) ab, die nun die Steuerung und Überwachung der Nebenuhren übernahm. Ein mechanisches Uhrwerk wurde nicht gebraucht. Ihr Inneres bestand aus einem Wechselrelais, das die von der Mutteruhr ausgehenden Gleichstromimpulse in Zeigerbewegungen umsetzte. Von dieser Mutteruhr ausgehend spannte sich ein Leitungsnetz in einem Bahnhof, in einem Gebäude oder auf eine Strecke, an dem die Uhren wie Perlen an einer Schnur hingen.
Nach dem Krieg konnte die Eisenbahn das fortschrittlichste Nachrichtennetzwerk des Landes aufbauen. Mit drei Ziffern war es möglich, von einem Netzknoten zum nächsten zu wählen. Dieses System wurde auch für die Steuerung der Uhren übernommen. An jedem Knoten befand sich eine Mutteruhr. An dieser wiederum waren mehrere Mutteruhren in der Fläche angeschlossen. So konnte sichergestellt werden, dass alle Bahnhöfe, von Flensburg bis Oberstdorf, von Saarbrücken bis Frankfurt/Oder die gleiche Zeit hatten. Um Mitternacht wurde von der Zentraluhr des Hydrographischen Instituts in Hamburg der bundesweite Zeitausgleich vorgenommen. Das ZDF und der Hessische Rundfunk bezogen in dieser Zeit ihr Zeitsignal ebenfalls von der Bundesbahn aus Frankfurt am Main. Mit dem Aufbau der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig in den 60er-Jahrenwurde auf Grund der Ganggenauigkeit der dort vorhandenen Atomuhr die Steuerung und der Abgleich aller Uhren bei der Bahn über den Langwellensender DCF 77 aus Mainflingen bei Aschaffenburg vorgenommen. Damit wurden etwa 2.400 Mutteruhren schrittweise zu eigenständigen Uhrenzentralen.
Details zur Uhrenumstellung
Bei der Umstellung auf Sommerzeit am kommenden Wochenende ist die Betriebsabwicklung verhältnismäßig einfach: Nach 1:59 Uhr kommt 3:00 Uhr. Zügen, die in dieser Zeit unterwegs sind (in der Regel Güterzüge, Nachtzüge und S-Bahnzüge in den Ballungsräumen), fehlt eine Stunde. Wenn möglich, werden Güterzüge vor der planmäßigen Abfahrtszeit auf die Reise geschickt, so erreichen sie ihren Zielort mit nur geringer oder oft auch ohne Verspätung. S-Bahnzüge, die nur innerhalb dieser Stunde unterwegs wären, fallen – unbemerkt – aus. Nachtzüge haben zumeist nächtliche Aufenthalte, die entsprechend gekürzt werden. Wo dies nicht möglich ist, kommen die Züge an diesem Tag verspätet ans Ziel.
Etwas komplizierter ist die Rückumstellung im Oktober. Hier werden die Uhren um ein Stunde zurückgestellt. Nach 2:59 Uhr kommt 2:00 Uhr. Züge, die über Nacht unterwegs sein werden, werden in der um eine Stunde längeren Nacht an einem geeigneten Bahnhof entlang der Reisestrecke angehalten. So wird sichergestellt, dass die rund 50 betroffenen Züge ihre Zielbahnhöfe fahrplanmäßig erreichen und morgens nicht eine Stunde zu früh ankommen. Züge, deren Abfahrtszeit zwischen zwei und drei Uhr liegt, müssen aber in dieser Nacht zweimal abfahren – einmal vor und einmal nach der Umstellung der Uhren. Dazu sind entsprechend mehr Fahrzeuge und auch mehr Personal notwendig. In Zeiten elektronischer Stellwerkstechnik würde die Technik bei zwei Zügen mit derselben Zugnummer von einem Fehler ausgehen. Voraussetzung für einen reibungslosen Ablauf ist also die aufwändige Ausarbeitung eines besonderen Fahrplans, der für die »zweiten« Züge neue Zugnummern bereitstellt. Großer Aufwand für Fahrplanersteller, Personaldisponenten und Stellwerksbesatzungen.
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