Wir arbeiten für euch im Rahmen der europäischen CIVITAS DYN@MO-Initiative gemeinsam mit weiteren Partnern an der Entwicklung innovativer Verkehrsangebote. Im Rahmen des Projekts fanden zwei Diskussionsrunden zum Thema »Mobilität der Zukunft« statt. Wir haben mit Tim Becker, einem der Teilnehmer, gesprochen.
Zu den Gruppendiskussionen wurden nicht nur regelmäßige Fahrgäste des ÖPNV eingeladen, sondern insbesondere auch Ab-und-zu-Fahrgäste, Berufspendler und Autofahrer. Die Diskussionsrunde ist ein Baustein im Rahmen der europäischen CIVITAS DYN@MO-Initiative im Teilprojekt »Mobilitäts-Allianz«. Dort arbeiten mehrere Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen – u. a. auch AVV und ASEAG – zusammen. Dabei geht es auch um die Entwicklung von Ticket-Systemen, um mehrere Verkehrsmittel kombiniert zu nutzen – auch grenzüberschreitend. Ziel ist es, die urbane Mobilität in der Region noch schneller und bequemer zu gestalten und den mobilen Menschen die Möglichkeiten aufzuzeigen, die sich ihnen bieten.
Das Potenzial ist groß: Rund 120.000 Menschen sind täglich berufs- und ausbildungsbedingt in der Stadt Aachen unterwegs, 90.000 kommen aus dem Umland nach Aachen, 30.000 verlassen die Stadt, um im Umland zu arbeiten oder zu lernen.
Tim Becker wurde als regemäßiger Carsharing-Nutzer von Cambio zur Diskussionsrunde eingeladen. Er hat kein eigenes Auto und nutzt, wenn er nicht zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist, auch Bus und Bahn – sowohl beruflich als auch privat.
Tim ist Teilhaber der Agentur WESTWERK in Aachen und kennt sich bestens mit IT-Lösungen, Webdesign und Webentwicklung aus. In der Agentur setzt er sich täglich mit den neusten Digital-Trends auseinander, spricht auf Konferenzen und bloggt beziehungsweise podcastet im Privatleben.
Tim, du hast im Rahmen der europäischen CIVITAS DYN@MO-Initiative an der Gruppendiskussion zum Thema »Mobilität der Zukunft« teilgenommen. Wie bewegst du dich heute fort?
Wohnung und Arbeitsplatz liegen zum Glück nah beieinander, die fünf Minuten geht es morgens und abends also zu Fuß. Da mir aktuell ein Stadtrad fehlt, bewege ich mich in Aachen sonst auch weitestgehend zu Fuß und mit dem Bus. Für Einkäufe und weitere Fahrten greife ich auf den Firmenwagen oder Cambio zurück. Hier fahre ich momentan am liebsten den Elektro-Smart.
Was meinst du, wie sich das Mobilitätsverhalten in Zukunft verändern wird?
Wenn wir von Mobilität reden, geht es eigentlich immer darum von einem Ort zum anderen zu kommen. Da bei vielen das eigene Auto noch vor der Tür steht, wird das aus Bequemlichkeit dann einfach genommen. Die wenigsten von uns möchten jedoch »Autofahren« sondern einfach nur »ankommen«. Durch bessere Verknüpfung und den Ausbau von Verkehrsangeboten ist diese Zukunft gar nicht so weit weg. Zudem fahren Autos während ihrer Lebenszeit laut Studien nur 3% und stehen die restlichen 97% parkend rum. Ganz schön verschwenderisch, oder?
Wie soll das erreicht werden?
Die Verknüpfung von Fahrrad, Bus, Bahn und Carsharing ist noch nicht vorhanden. Für jeden Anbieter muss ich mich separat registrieren, habe eigene Tarife, eigene Apps, andere Fahrpläne – bequem und integriert geht anders. Die Zukunft der Mobilität kann in der breiten Masse nur funktionieren, wenn der Zugang zu unterschiedlichsten Verkehrsmitteln möglichst einfach ist.
Welche Aspekte waren für dich in der Diskussionsrunde neu?
Die Diskussionstiefe des barrierefreien Zugangs zu Mobilität. Bei Barrierefreiheit denkt man schnell nur an Rollstuhlfahrer, ebenerdige Einstiege und vielleicht noch gut lesbare Anzeigen. Im Rahmen der Mischmobilität muss man auch über Generationsfragen nachdenken. Radfahren machen die Knochen irgendwann nicht mehr so gut mit. Die Augen sagen nein zum Autofahren und die Füße tragen einen auch nur begrenzt zur kilometerweit entfernten Bushaltestelle. Ein spannender Punkt, der nicht immer einfach zu lösen sein wird.
Unter welchen Bedingungen können Autofahrer dazu bewegt werden, auf öffentliche Verkehrsmittel oder andere Mobilitätsangebote umzusteigen?
Autofahrer sind oft bequem und hängen an »ihrem« Wagen. Ein Mobilitätsmix kann preislich sehr attraktiv sein, wenn die Fixkosten vom eigenen Auto wegfallen. Die Kombination aus verschiedenen Verkehrsmitteln kann auch einfach Spaß machen (ich empfehle eine Fahrt mit dem Elektro-Smart!) und in der Bahn lässt es sich meist gut am Laptop arbeiten oder in einem guten Buch lesen. Vor allem muss Mobilität aber ebenso einfach und zuverlässig sein wie das eigene Auto.
Stichwort »Mobilitätsverbund«: Wie kann der Realität werden?
Verkehrsangebote sollen genutzt werden. Niemand möchte sich über Tarifzonen, Anschlussverbindungen, Abos und Laufzeiten Gedanken machen. Der Verbund muss das Problem lösen und ein Angebot schaffen, welches die verkehrsmittelübergreifende Nutzung sehr einfach macht.
Welche Informationsmöglichkeiten müssen geschaffen werden? Für dich als »Digital-Native«: Wie stellst du dir in Zukunft eine optimale Mobilitäts-App vor?
Ein Beispiel: Ich bin mehrmals im Monat zu Kundenterminen in Köln. Wenn es schnell gehen muss und der Termin nicht länger als eine Stunde dauern wird, fahre ich mit dem Auto. Bei mehreren oder längeren Terminen nehme ich Bahn, Straßenbahn, Carsharing und Taxi – je nach Tageszeit in unterschiedlichen Kombinationen.
Eine optimale App muss mir alle sinnvollen Kombinationen aus den verfügbaren Verkehrsmitteln vorschlagen und mir eine Buchung sämtlicher Verkehrsmittel mit einem Klick erlauben. Anschließend navigiert mich die App noch von Station zu Station und gibt mir Bescheid, wann ich vom Taxi in die S-Bahn oder aufs Rad umsteigen muss.
Was uns noch interessiert: Welche Vorstellungen hast du nach dem Aus für die Campusbahn für den ÖPNV in unserer Region – gerade auch vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Kassen?
Die Campusbahn wäre der perfekte Baustein für eine zukunftssichere Mobilität in Aachen gewesen. Ob man die Nachfrage mit anderen Linienführungen, engeren Taktzeiten und mehr (Elektro-)Bussen abgefedert bekommt bleibt abzuwarten. Punkt-zu-Punkt-Carsharing (car2go, drivenow etc.) fehlt in Aachen und wäre eine wichtige Ergänzung zur stationsbasierten Miete. Ich verspreche mir zudem viel vom veloCity-Projekt, welches in naher Zukunft 1000 Pedelecs in die Aachener Stadt spülen wird. Mit Pedelecs lässt sich auch die Aachener Topologie ohne große Mühe meistern. Da lässt der eine oder andere das Auto sicherlich gerne mal stehen.
Was meinst du: Wie wird deine individuelle Mobilität in 10 Jahren aussehen?
100% elektrisch, mehr Pedelecs und ÖPNV. Im besten Fall kein eigenes Auto mehr sondern an jeder Straßenkreuzung Carsharing-Autos für kurze (Elektro) und lange (Verbrenner) Strecken.
Dein Fazit bzw. Resümee der Veranstaltung?
Aachen ist offen und bereit für Mischmobilität. Wenn die Angebote weiterhin so ausgebaut werden und demnächst eine einfachere Nutzung möglich ist, werden sich sicherlich einige Innenstadtbewohner den Autokauf zweimal überlegen.
Der AVV ist Teil einer EU-weiten Initiative (CIVITAS) zur Entwicklung innovativer Verkehrsangebote für die Bürger vor Ort. Konkret arbeitet der AVV an der Entwicklung eines Mobilitätsverbundes, um diverse Mobilitätsangebote stärker miteinander zu vernetzen. Das CIVITAS DYN@MO-Projekt wurde Ende 2012 ins Leben gerufen. Aachen ist »Lead-Partner« und arbeitet gemeinsam mit Palma de Mallorca (Spanien), Gdynia (Polen) und Koprivnica (Kroatien) an einer nachhaltigen, umweltfreundlichen Verkehrsentwicklung und an einer besseren Organisation der städtischen Mobilität. CIVITAS steht für »City – Vitality – Sustainability«, auf Deutsch »Stadt – Lebensfreude – Nachhaltigkeit«. Dabei geht es der EU-Kommission, die von den insgesamt 14 Millionen Euro Projektvolumen in einem 4-Jahres-Zeitraum 9 Millionen übernimmt, insbesondere um den Austausch der Ergebnisse dieses Projektes zwischen den verschiedenen Partnern.