Im nächsten Jahrzehnt stehen so viele Baumaßnahmen im Rheinland an, wie nie zuvor. Der Grund? Ganz einfach: Das Schienennetz ist an seiner Kapazitätsgrenze angelangt und eine Verbesserung der Infrastruktur führt zu einer Verbesserung des gesamten Schienenpersonennahverkehrs (SPNV). Nur durch konsequente Investitionen lässt sich das Schienennetz optimieren und damit Verspätungen und Ausfälle minimieren. Zu den Baumaßnahmen gehören unter anderem Brückenarbeiten, Gleis- oder Bahnsteigerneuerungen, Gleiserweiterungen, Oberleitungs- und Instandhaltungsarbeiten oder Erneuerungen von Stellwerkstechniken.
All dies geht oftmals mit diversen Streckensperrungen und Umleitungen einher und somit auch einem Schienenersatzverkehr. Zudem müssen die Fahrgäste adäquat über anstehende Baumaßnahmen und Umleitungen informiert werden. Und dann wären da auch noch die verschiedenen Verkehrsunternehmen, die von einer Baustelle betroffen sind und unterschiedlichen Verkehrsverträgen beim Aufgabenträger unterliegen. Wie kann bei so vielen Themen und Akteuren eine einheitliche Baustellenkommunikation funktionieren? Und wie kommen wichtige Informationen beim Fahrgast einheitlich und verständlich an?
Vom 14. – 21. November ist auch das AVV-Gebiet betroffen. Zwischen Aachen und Düren wird an der B 264 eine neue Straßenüberführung über die Bahnstrecke errichtet. Die Deutsche Bahn AG nutzt die durch Straßen.NRW verursachte Vollsperrung der Bahnstrecke, um während dieser Zeit Gleis- und Oberleitungsarbeiten in Aachen-Rothe Erde, Stolberg, Langerwehe und Düren zu erledigen. Wir haben daher einmal beim Expertenteam „Baustellenmanagement“ des SPNV-Aufgabenträgers für das Rheinland, dem NVR, nachgefragt, wie gutes Baustellenmanagement funktioniert und die Kommunikation mit dem Fahrgast gelingt.
Copyright „Max Maulwurf“ Banner: Deutsche Bahn AG
Schritt 1: Ein stringentes Management
Das Managen von Baustellen wird immer komplexer. Denn bei gleichzeitig wachsender Anzahl der Baustellen, vermehren sich auch auch die Akteure im Markt. Das sind unter anderem die verschiedenen Infrastrukturbetreiber, Verkehrsunternehmen, Aufgabenträger und weitere Träger öffentlicher Belange.
Der grundlegendste Schritt bei jeder Baumaßnahme ist zunächst die Planung eines Ersatzkonzepts für die Laufzeit der Arbeiten. Stehen auf einer Bahnstrecke zum Beispiel Arbeiten an einem Eisenbahntunnel an, muss das bisherige Betriebskonzept aller, diese Strecke befahrenden Linien, während der laufenden Bauarbeiten angepasst werden. Oberster Anspruch hierbei: Den Fahrgast so lange wie möglich auf der Schiene transportieren zu können und den Schienenersatzverkehr (SEV) erst als letztmögliche Lösung einzurichten. Hierfür sind die Planungsabteilungen der Verkehrsunternehmen zuständig. Jedes Verkehrsunternehmen ist verpflichtet, ein Ersatzkonzept zu erstellen, damit der Fahrgast weiterhin an das gewünschte Ziel gelangt. Anschließend müssen alle unterschiedlichen eingereichten Konzepte verglichen und vom Aufgabenträger aufeinander abgestimmt werden. „Haben beispielsweise drei Verkehrsunternehmen einen SEV-Plan eingereicht, müssen wir prüfen, wann die Busse fahren, an welchen Stellen es Überschneidungen gibt und wie wir letztlich das Konzept inhaltlich aufeinander abstimmen können“, erklärt uns Leszek Karmaat vom NVR. Je mehr Marktteilnehmer es auf einer Strecke gibt, desto mehr Planung muss also unter einen Hut gebracht werden.
Im Falle der Baustelle zwischen Aachen und Düren sind zwei Eisenbahnverkehrsunternehmen beteiligt: Abellio, die auf der Strecke den RE1 betreibt und die DB Regio, die den RE9 und die RB20 betreibt. Hier kommt der NVR – Aufgabenträger für den SPNV in AVV und VRS und somit aller beteiligten Verkehrsunternehmen – als Koordinator ins Spiel, indem im ersten Schritt alle Betroffenen zu einem Kickoff-Termin eingeladen werden, um gemeinsam die notwendigen Maßnahmen abzustimmen.
Eine grundlegende Herausforderung – bereits vor diesem Kickoff-Termin – sind oft die unterschiedlichen Verkehrsverträge, in denen die vom Aufgabenträger bestellten Leistungen des Verkehrsunternehmens festgehalten sind. In diesen sind nämlich nicht nur die zu erbringenden Leistungen definiert, sondern auch die Art und Weise der Fahrgastinformation oder der SEV-Planung. „In älteren Verkehrsverträgen steht zum Beispiel meist, dass die Verkehrsunternehmen die für den SEV eingesetzten Busunternehmen aussuchen. Wir als Aufgabenträger sind dann außen vor. In den neueren Verkehrsverträgen steht aber, dass die SEV-Planung bei Baustellen, die länger als 14 Tage dauern, vom Aufgabenträger übernommen werden. In manchen Fällen sind sogar Ausschreibungen für SEV-Leistungen verpflichtend“, erklärt Leszek Karmaat, Leiter der im Sommer neu eingerichteten Stabstelle Baustellenkommunikation beim NVR. „Für eine einheitliche Baustellenkommunikation müssen wir uns in Zukunft die Verkehrsverträge anschauen und prüfen, wie wir die Planung vereinheitlichen können.“ Wichtig ist es letztlich, das Betriebskonzept mit allen in die Baumaßnahme involvierten Partnern an einem Tisch abzustimmen und Nachfragen gemeinsam zu klären. „Denn Ziel ist immer, dass beim Kunden alle Informationen übersichtlich und verständlich ankommen.“
Doch bevor es in Zukunft zu dieser gänzlich vereinheitlichen Planung kommt, werden Teilaufgaben im Kickoff verteilt und ausgehandelt, wer welche Aufgaben und demnach auch, wer welche Kosten übernimmt. „Wir klären dann viele verschiedene Fragen. Wer gibt die neuen Daten in die Online-Auskunft ein, wer erstellt das Layout für die Bauinformationen und Ersatzfahrpläne. Im Fall Aachen-Düren hat sich dann beispielsweise die DB bereit erklärt, federführend die Erstellung der Informationsmedien zu übernehmen.“ Max Maulwurf, das Baustellen- und SEV-Maskottchen der DB, informiert also in diesem Fall gebündelt über die Ersatzkonzepte des RE1 (Abellio), des RE 9 und der euregiobahn (DB Regio).
Schritt 2: Eine einheitliche Kommunikation für eine schnelle Information
Sobald alle Akteure die Aufgabenverteilung abstimmen konnten, geht es auch schon in die Umsetzung und es steht die wichtigste Frage im Raum: Wie erhält der Kunde am schnellsten und einfachsten alle relevanten Informationen? Zunächst erfolgt hierzu über am Bahnhof und den betroffenen Zügen angebrachte Banner eine Vorankündigung der Baumaßnahmen und deren Laufzeit.
Zwei bis drei Wochen vor dem Beginn startet dann eine zweite Kommunikationswelle, mit der konkret der Schienenersatzverkehr und neue Fahrzeiten kommuniziert werden. An den betroffenen Stationen hängen dann Plakate, meist erfolgt eine zusätzliche Presseinformation. Auch die Webseiten und Apps aller betroffenen Verkehrsunternehmen und der Verkehrsverbände informieren
über die Maßnahme und Fahrgäste, die Newsletter abonnieren, erhalten auch darüber Informationen.
Im letzten Schritt, wenn der SEV eintritt, erfolgen dann konkrete Beschilderungen und Anweisungen am Gleis, wie zum Beispiel Fußstapfen auf dem Boden, die den Weg aus dem Bahnhof zur Ersatzbushaltestelle markieren, oder der Einsatz von sogenannten „Reisendenlenkern“, Personen, die die Fahrgäste zur Ersatzhaltestelle lotsen. Jedes betroffene Verkehrsunternehmen setzt die Medien dann auch für die Kommunikation über die eigenen Kanäle , wie zum Beispiel Newsletter, Social Media-Postings, Webseiten etc. ein, um möglichst viele Fahrgäste zu erreichen, die von den Bauarbeiten betroffen sein könnten. „Gerade haben wir aber zum Beispiel noch eine Rückmeldung aus dem Raum Aachen erhalten. Auf einem der Plakate stand, dass weitere Informationen auf der Webseite eines der beiden beteiligten Verkehrsunternehmen aufzurufen seien. Diese waren allerdings noch nicht eingepflegt und mussten nun schnell ergänzt werden. Außerdem werden wir sukzessive kleine Marktforschungen durchführen und Kunden befragen, über welche Kanäle er sich über Baustellen informiert und welche Informationen darüber hinaus gewünscht sind. Daraus erhoffen wir uns eine Antwort darauf, ob Broschüren oder Plakate überhaupt noch zeitgemäß sind und ob wir mit unseren Medien auch alle Zielgruppen erreichen.“ Und der NVR strebt nach noch mehr Optimierung: Es soll ein Baukasten entstehen, der Standards und Prozesse definiert und so eine einheitliche Kommunikation gewährleistet.
Informationen aus einem Guss – eine neue Stabstelle für Baustellenmangement
Seit dem 1. Juli 2020 gibt es beim NVR daher eine neue Stabstelle für Baustellenmangement. Diese soll die Aktivitäten zu Bautätigkeiten bündeln und einheitlicher gestalten. Die Hauptaufgabe soll der Aufbau eines Kommunikationsbaukastens sein, aus dem sich dann alle Beteiligten gleicher
kommunikativer Maßnahmen bedienen können. Man erhofft sich die Möglichkeit, gewisse Baumaßnahmen und die dazugehörigen Aufgaben kategorisieren zu können, damit letztlich noch mehr Zeit dazu bleibt, sich auf den Kunden und seine Anliegen zu konzentrieren – sprich: Eine noch frühere Veröffentlichung aller relevanten Informationen für den Fahrgast zu ermöglichen. „Außerdem wollen wir eine einheitliche Online-Plattform einrichten, auf der alle Infos einheitlich abgebildet sind. Denn bisher verweist online ja noch jedes Verkehrsunternehmen auf unterschiedlichen Webseiten auf die Informationen zur Baumaßnahme. Mit einer einheitlichen Microsite muss der Kunde, der auf einer Strecke vielleicht verschiedene Linien nutzen muss, Informationen nicht mehr selbstständig zusammen führen, sondern erhält sie aus einem Guss.“
Leszek Karmat und Grazia Fischer freuen sich auf das, was kommt: „Wir finden es toll, hier etwas mitzugestalten. Unser Ziel ist, dass der Kunde sagt: Baustellen sind zwar doof, aber es läuft und wir fühlen uns gut informiert.“