In einer Welt, die sich ständig weiterentwickelt und in der Mobilität mehr denn je im Fokus steht, nimmt der Beruf des Mobilitätsmanagers – ein noch recht junges Berufsbild – eine wichtige Rolle ein. Denn Mobilitätsmanager wirken an der Gestaltung der Mobilitätslandschaft in Städten und Regionen mit. So auch Claudia Tonic-Cober – in Jülich. Eigentlich arbeitete die Europa Wirtschaftsassistentin viele Jahre erfolgreich in der freien Wirtschaft. Seit nunmehr 10 Jahren hat sie ihr berufliches Glück aber bei der Stadt Jülich gefunden. „Ich hätte eigentlich nie gedacht, dass ich einmal in der Verwaltung lande – aber hier gibt es sehr vielfältige Themen. Ich habe als Projekt-Sachbearbeiterin im Amt für Familien-Integration angefangen und mit der Zeit kam ich immer mehr mit Mobilitätsbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger in Kontakt. Deswegen wurde ich schließlich zur Mobilitätsmanagerin ausgebildet und mache diesen Job nun mit großer Freude.“ Wir werfen gemeinsam mit euch einen Blick auf eben diesen Job und Claudia Tonic-Cobers wichtige Rolle in der Gestaltung unserer Mobilitätszukunft.
Die Aufgabenfelder eines Mobilitätsmanagers
Mobilitätsmanager entwickeln gemeinsam mit weiteren Akteuren Strategien, um nachhaltige Mobilitätslösungen zu fördern. Dabei ist eines der zentralen Anliegen die Förderung einer multimodalen Mobilität – also die verschiedenen Verkehrsträger wie Busse, Bahnen, Fahrräder und CarSharing miteinander zu verbinden und nahtlose Übergänge zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln zu schaffen. Das Thema der nachhaltigen Mobilität beschäftigt Mobilitätsmanager wie Tonic- Cober besonders. Hier arbeitete sie mit Ihren Kollegen mit an Strategien und Konzepten für den Ausbau von Fahrradwegen und die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs. Entscheidend ist bei ihrer Arbeit aber vor allem der Dialog mit der Bevölkerung. Denn die wollen bei eklatanten Entscheidungen in ihrer Kommune natürlich mitsprechen. Deswegen führen Mobilitätsmanager auch Bürgerbeteiligungsprozesse durch, um die Bedürfnisse und Anliegen der Menschen zu verstehen und sie in die Planungen einzubeziehen.
Optimierung der Verkehrsinfrastruktur
„Themen rund um die Mobilität werden natürlich schon seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden behandelt. Aber heutzutage gibt es in der Verwaltung spezielle Fachbereiche, die sich zum Beispiel um die Anlage von Radwegen, um die Ausbesserung von Straßenschäden oder um die Verbreiterung von Gehwegen kümmern. Viele dieser Arbeiten wurden oft singulär abgewickelt – also losgelöst von anderen thematisch angrenzenden Fachbereichen. „Natürlich stimmte man sich auch untereinander ab, aber mit den Mobilitätsmanagern ist dann eine installierte Schnittstelle in der Verwaltung entstanden, die Fachbereiche miteinander verbindet. Am Beispiel einer benötigten Straßenausbesserung würde dies bedeuten: Wir schauen, wo es Sinn macht, weitere Akteure mit ins Boot zu holen. Denn nicht alle Straßen gehören der Kommune, es gibt die sogenannten klassifizierten Straßen, Bundesstraßen, Landesstraßen, Kreisstraßen und kommunalen Straßen. Wenn ich also jetzt weiß, dass da eine große Baustelle auf einer kommunalen Straße vorgesehen ist, die aber an eine Kreisstraße oder eine Bundesstraße oder Landstraße angrenzt, dann schaue ich gemeinsam mit anderen Fachbereichen nochmal ganz genau auf die benachbarten Straßen, und wir versuchen dann, eine Achse zu identifizieren, die Sinn macht für alle Verkehrsbeteiligten“, erklärt Tonic-Cober.
„Für uns geht es darum, Bedürfnisse der Menschen, Bedürfnisse rund um ihre Mobilität auch aufgrund ihrer veränderten räumlichen Lebensbedingungen so in Einklang mit unserer Infrastruktur zu bringen, dass sie ihnen das Grundrecht an der Mobilität teilzunehmen, auch ermöglicht wird.“
Die Reduzierung von Umweltbelastungen und die Auswirkungen des Klimawandels
Die Reduzierung von Umweltbelastungen und die Auswirkungen des Klimawandels
Die Reduzierung von CO2-Emissionen und die Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels sind weitere Schlüsselthemen. Tonic-Cober und ihre Kollegen müssen nachhaltige Lösungen entwickeln, um den Umweltauswirkungen des Verkehrs entgegenzuwirken. „Nicht selten hört man in der letzten Zeit das Wort „Mobilitätswende““, erklärt sie. In Jülich verursacht der Verkehr knapp 37% des CO2-Ausstoßes – und das Mobilitätskonzept zur Reduzierung dieser Belastung besagt, dass wir mit mehr Rad- und Fußwegen und vermehrten Wegen für alternative Verkehrsformen – und somit der Reduktion des Autoverkehrs – ein Einsparpotenzial von 22% dieser CO2-Emission haben.“ Um dies zu verwirklichen, müssen Mobilitätsmanager wie Tonic-Cober versuche, den öffentlichen Raum neu zu ordnen – und das ist die größte Herausforderung. Rund 90% dieses Raumes ist nämlich bislang für den Autoverkehr reserviert. „In Gesprächen mit den Bürgerinnen und Bürgern wollen wir natürlich nicht belehrend sein. Jeder hat das Recht, für sich zu entscheiden, ob man sich ein oder vier Autos anschafft. Aber wir möchten dabei helfen, den Blick zu öffnen. Unsere Arbeit besteht auch darin, das Bewusstsein der Menschen zu wecken und hier genauer nachzuhaken. Braucht eine Familie mit zwei Kindern wirklich vier Autos?“ Tonic-Cober und ihre Kollegen können dann nachhaken, an welchen Stellen die Nutzung des ÖPNVs hakt oder auf alternative Möglichkeiten aufmerksam machen. Es geht darum, die Vielfalt des Verkehrs vorzustellen. „Es gibt heute ja auch zahlreiche CarSharing Modelle, die wunderbar angenommen werden. Ein schönes Beispiel sind hier auch E-Scooter, die gerade von der jungen Zielgruppe angenommen werden.“
Wie Mobilitätsmanager dazu beitragen, Städte lebenswerter zu machen? Jedes Jahr findet in der Zeit vom 16.09. bis 22.09. die Europäische Mobilitätswoche statt, die Kommunen dazu einlädt, ihren Bürgerinnen und Bürgern die vielfältige Bandbreite der nachhaltigen Mobilität nahe zu bringen. Die Stadt Jülich beteiligte sich 2020 hieran erstmals mit der befristeten Schaffung eines autofreien Raumes in der Innenstadt. Die Aktion wurde professionell evaluiert, in Form von Zählungen und Befragungen der Fußgänger, der Radfahrer und der Nutzer des motorisierten Individualverkehrs vor und während der autofreien Zeit. Vorausgegangen war die Empfehlung des „Lenkungskreises Mobilität“, im Rahmen der ´Europäischen Mobilitätswoche`einen Teilbereich der Innenstadt für autofrei zu erklären, um so erfahrbar zu machen, wie ein autoreduzierter Raum einen Gewinn darstellen könnte. Im Rahmen von vielfältigen Beteiligungsformaten wurden die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, als Experten für ihre alltäglichen Wege und Aufenthaltsorte, aktiv einbezogen und es wurde deutlich, dass sich viele Menschen eine Reduzierung des Autoverkehrs im Innenstadtbereich wünschen. Und so wurde dies während des Mobilititätswoche in Jülich auch umgesetzt. Neben dem bereits verkehrsberuhigten Marktplatz in Jülich wurden die bisher nicht beruhigten Teile in den Aktionsraum aufgenommen und darin mehr Raum für den Fuß- und Radverkehr geschaffen. Der freigewordene Parkraum wurde von den Bürgerinnen und Bürgern, dem ansässigen Handel und der Gastronomie für Aktionen oder zum Verweilen genutzt, sodass alle gleichermaßen – in Begleitung eines bunten Rahmenprogramms – von dem Freiraum profitierten. Das verlängerte autofreie Wochenende während der Europäischen Mobilitätswoche 2020 wurde durch Anlieger, städtische Institutionen, Jugendeinrichtigungen, das städtische Jugendparlament, einer ansässigen Tanzschule und Cambio CarSharing in den autofreien Straßenzüge von vielfältigen Aktionen begleitet. Musikalische Highlights, Tanzvorführungen, Spielstationen, Nachhaltigkeitsglücksrad, Klima-Rechner, Ballon- und Popcornstationen, Sitz-und Chill-Gelegenheiten für Groß und Klein sowie Gastronomie erwarteten die Besucher in umfunktionierten Parkplätzen – stets begleitet durch städtisches Personal vor Ort.
Eine Auto-arme Woche wurde also erfolgreich durchgeführt und schuf Raum für Bewegung, förderte eine kinderfreundliche Umgebung, und die Umgestaltung des Parkraums trug dazu bei, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Stadt in einer neuen, lebendigen Atmosphäre erleben konnten. Insgesamt wurde die Maßnahme als erfrischende Veränderung wahrgenommen, die die Lebensqualität in der Stadt Jülich verbesserte“, erzählt Tonic-Cober.
Mobilitätsmanager tragen also mit dazu bei, Städte lebenswerter zu machen, den Verkehr sicherer zu gestalten und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Der Beruf des Mobilitätsmanagers ist komplex und anspruchsvoll, aber auch von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung lebenswerter Städte und die Bewältigung der Herausforderungen, die mit der zunehmenden Mobilität einhergehen. Tonic-Cober fasst es am Ende unseres Gesprächs noch einmal zusammen: „Meine Arbeit ist wirklich erfüllend und macht richtig Spaß. Neue Kontakte knüpfen, nach neuen Plattformen suchen, innovative Lösungen finden – das erfüllt mich. Es ist wichtig, Verständnis für finanzielle Einschränkungen und Zeitrahmen zu schaffen, die oft nicht mit den sofortigen Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger übereinstimmen. Wir können nicht in wenigen Jahren das aufholen, was wir über Jahrzehnte vernachlässigt haben. Dennoch können wir in gewissem Maße Erleichterungen schaffen, wenn wir gemeinsam anpacken. Wenn wir über die Verkehrswende sprechen, ist es wichtig zu verstehen, dass dies ein langfristiger Prozess ist. Wir können nicht über Nacht alles ändern, aber wenn jeder von uns bei sich selbst anfängt, erkennen wir, dass es in unserem eigenen kleinen Kosmos Möglichkeiten gibt, einen Beitrag zu leisten. Das ist mein persönlicher Ansatz, und ich sehe darin die Grundlage für positive Veränderungen, auch wenn sie schrittweise erfolgen.“