2015: Tobias Kreusch aus Eynatten hat gerade das Kapitel Schule ad acta gelegt. Sein Traum: Er will ein Jahr in seinem Lieblingsland Norwegen verbringen. Doch das Schicksal hat andere Pläne, ein Unfall verhindert den Auslandsaufenthalt. Und Tobias? Der entscheidet sich stattdessen für eine dreijährige Ausbildung bei der Deutschen Bahn als Eisenbahner im Betriebsdienst, Fachrichtung „Lokführer und Transport”, die er 2016 antritt. 4 Jahre später, im Jahr 2020: Der 2,13 m große und 23 Jahre alte Tobias sitzt – mittlerweile im Dienste des Verkehrsunternehmens Abellio – als fertig ausgebildeter Triebfahrzeugführer, umgangssprachlich besser bekannt als Lokführer, vor uns. „Die Schule hatte ich damals abgebrochen. Ich bin nämlich eher ein Arbeitsmensch. Leider hatte ich damals einen Unfall, durch den mein Aufenthalt in meinem Traumland Norwegen geplatzt ist. Dann musste ich über ein Jahr lang Reha machen und bin währenddessen auf die Jobanzeige der DB gestoßen. Zu dem Zeitpunkt wusste ich ehrlich gesagt gar nicht ganz genau, worum es ging. Ich hatte null Ahnung vom Bahnbetrieb und das Thema Bahn war bis dato gar nicht in meinem Kopf gewesen.” Beworben hat sich Tobias trotzdem. Und könnte darüber heute nicht glücklicher sein.
„In der ersten Woche der Ausbildung habe ich erst gemerkt, dass ich im Personenverkehr gelandet bin.”
Als Tobias vor 4 Jahren von der DB Regio zum Bewerbungsgespräch eingeladen wurde, wusste er selbst noch nicht genau, in welche Richtung sein Weg einmal gehen würde. „Natürlich war mir klar, wo ich mich beworben hatte”, lächelt Tobias. „Aber erst in der ersten Woche der Ausbildung habe ich realisiert, dass ich im Personenverkehr gelandet bin.” Die Ausbildung umfasste dann alles, was mit der Bahn und deren Betrieb zu tun hat: „Man durchläuft eigentlich alle beteiligten Stellen. Man erhält zum Beispiel Einblick in den Beruf der Fahrdienstleiter oder der Transportleitung, die sich bei Störungen um die Verteilung des Personals und der Fahrzeuge kümmern. Nach der Ausbildung hat man so dann die Chance, sich in verschiedene Positionen des Bahnbetriebs weiter zu entwickeln.“ Tobias merkte bereits früh, dass er sich für die richtige Ausbildung entschieden hatte. „Nach dem ersten Monat der Ausbildung durften wir einmal unter Aufsicht fahren. Da ist ein Schalter umgesprungen. Ich habe gemerkt, wie viel Spaß es mir gemacht hat – und, dass es mir auch ein bisschen in den Genen liegt.”
„Wenn der RRX einmal nach Aachen kommt, dann muss ich den fahren!”
Nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung, fährt Tobias noch ein Jahr die Euregiobahnlinie RB 20. Aber er hat andere Pläne. “Während meiner Ausbildung habe ich immer mal daran gedacht, in Zukunft den RRX zu fahren, da mir das Gesamtkonzept dieses Projekts so gut gefiel.“ Ein Glück für Tobias: Der RRX kam nach Aachen – und er somit zu seinem neuen Arbeitgeber Abellio. Seitdem fährt er den neuen Zug, der ihn so begeistert. „Was mich immer am Beruf des Lokführers gereizt hat, ist die Möglichkeit, so viele Menschen auf einmal zu bewegen. Und für jeden dieser Menschen trage ich die Verantwortung.” Im RRX kann Tobias ungefähr 800 Menschen gleichzeitig transportieren. „Und die Lackierung ist auch wirklich schön”, lacht er.
Doch es ist nicht nur der moderne Zug, der Tobias bei seiner Arbeit begeistert. Schon vor dem eigentlichen Beginn seiner Fahrt beginnt für ihn die Schicht mit dem Vorbereitungsdienst: An den nächtlichen Abstellorten werden dort die sicherheitsrelevanten Bauteile des Zuges geprüft. „Wir führen eine Bremsprobe durch, kontrollieren, dass die Türen in Ordnung sind und prüfen verschiedene Assistenz- und Sicherungssysteme. Diese Aufgaben gehören genauso zu meinem Beruf, wie die Kontrolle, ob sich der Zug in einem fahrgastfreundlichen Zustand befindet.” Kleinere Störungen behebt er meist selbst. Dazu steht ihm ein Störungsbuch zur Verfügung, aber auch seine Erfahrung und ein gewisses technisches Geschick. „Wenn eine Tür nicht funktioniert, hilft es meist, den dazugehörigen Rechner einmal runterzufahren und neu zu starten. Wie bei einem normalen Computer ist das Problem damit meistens behoben.” Nach der Kontrolle beginnt die eigentliche Fahrt. Im RE 1 geht es für Tobias und seine Fahrgäste bis nach Hamm, wo er im Anschluss seine Pause verbringt, um dann wieder zurück nach Aachen zu fahren. „Und wenn wir wieder in Aachen ankommen, bereiten wir zum Abschluss den Zug für den nächsten Kollegen vor.”
„Die Streckenkunde ist eine der wichtigsten Fähigkeiten, die ein Lokführer haben muss."
Seit Mai arbeitet Tobias bei Abellio. „Im Frühjahr bin ich erstmal einen Monat nur Streckenkunde gefahren, eine der wichtigsten Fähigkeiten, die ein Lokführer haben muss.” Denn auch, wenn Tobias mit dem RE1 immer die gleiche Strecke fährt, bei der der Regelweg nur bei Umleitungen durch Baustellen oder andren Streckensperrungen abweicht, muss er sich stets orientieren können und die Strecke wie seine Westentasche kennen. „Gerade bei Nebel oder Dunkelheit sieht man außer seiner grünen und roten Lichtsignale nichts mehr. Da hat man dann während des Fahrens seine Punkte, wie Häuser oder Büsche, an denen man sich orientiert. So weiß man dann genau, in wie vielen Metern ein Bahnsteig kommt.” Genau, wie in jedem anderen Beruf, läuft auch bei Tobias im Regelbetrieb vieles routiniert. „Es gehört natürlich viel dazu, Lokführer zu sein, sonst wäre es ja keine dreijährige Ausbildung. Aber wenn alles normal läuft, ist vieles Routine.” Und dennoch: Tobias muss jedes Signal richtig interpretieren, die Fahrzeugtechnik kennen, wenn eine Störung auftritt.”
„Ich wollte früher immer Pilot werden.“
Als Kind träumte Tobias von einer Karriere als Pilot. „Personenbeförderung war irgendwie schon immer mein Ding”, grinst er. Doch der über 2 Meter große Tobias muss schnell einsehen, dass er eine Ausbildung bei einer Fluggesellschaft gar nicht hätte antreten können. „Bei den Berufstagen in der Schule habe ich erfahren, dass die maximale Größe bei 1,95 m liegt. Ich habe das damals als wahnsinnig unfair empfunden.” Tobias Körpergröße spielte dann weder bei der DB Regio noch bei Abellio eine Rolle, auch, wenn er sich immer ein wenig bücken muss, um in seinen Führerstand zu gelangen. „Aber der RE1 ist in seiner Ausstattung so modern, das ist alles sehr angenehm. Auch bei meiner Größe.”
„Die Sonnenaufgänge auf der Fahrt machen einen frühen Dienstbeginn wieder wett.”
Doch auch, wenn Tobias Kreusch seinen Job mit Leib und Seele ausübt, kann eine Frühschicht, die um 4:34 Uhr beginnt, schon mal ganz schön anstrengend sein. „Aber ich kann mich nicht beklagen. Wenn man die Sonnenaufgänge morgens sieht, ist das frühe Aufstehen wieder vergessen.” Und Zeit zum müde sein, die hat Tobias während seiner Fahrten ohnehin nicht. „Für jeden Lokführer ist das einschneidendste Erlebnis wohl ein Personenunfall. Sowas habe ich zum Glück bisher noch nicht erlebt. Das einzige, das mir auf einer Fahrt mal passiert ist, war ein Einkaufswagen, der mitten auf den Gleisen stand und ein Auto, das kurz vor mir noch über den Bahnübergang gefahren ist. Da schießt einem das Adrenalin in alle Körperteile.”
„Wenn man einmal in der Eisenbahnfamilie ist, möchte man da für immer bleiben.“
So sehr Tobias sich in seinem Berufsleben für Züge begeistert – in seiner Freizeit hat er andere Hobbys. „Ich habe viele Jahre Handball gespielt und mein Auto, ein 1-er BMW, ist mein kleines Hobby. Außerdem fotografiere ich gerne – nur keine Züge”, grinst er. Und so wie jeder andere junge Mann in seinem Alter wohl auch, zockt er gerne und trifft Freunde, von denen viele ebenfalls Lokführer sind. „Die meisten haben den gleichen Beruf wie ich. Natürlich reden wir dann auch mal über die Arbeit. Aber keine Sorge, ich habe auch normale Freunde”, lacht er. „Ich meine das gar nicht böse, aber – und ich darf es ja sagen – wenn man im Bahnwesen ist, dann ist man nicht normal. Wer einmal Bahnblut geleckt hat, der ist für immer infiziert. Wenn man einmal in der Eisenbahnfamilie ist, möchte man da für immer bleiben.”