Wenn es im Aachener Busnetz eine Linie gibt, die Tag ein Tag aus die verschiedensten Stadtviertel passiert, die unterschiedlichsten Fahrgäste ein- und aussteigen sieht, die ungleichsten Straßen und Alleen befährt und einige der interessantesten Orte Aachens passiert, dann ist das wohl die ASEAG-Linie 2. Mehr Multi-Kulti-Mix auf einer Fahrt von Start- bis Endhaltestelle geht nicht! Vom Aachener Preuswald, durch das Südviertel, hinein in die Innenstadt, weiter Richtung Ostviertel, über Rothe Erde bis nach Eilendorf. Die Linie kennt die sozialen Brennpunkte und den Reichtum der Stadt; sieht, wie nah Armut und Reichtum, obere und untere Einkommensschichten örtlich zueinander liegen können. Grund genug, diese spannende Linie einmal gemeinsam mit euch abzufahren und dabei ganz genau hinzuschauen.

Preuswald

Die Linie 2 nimmt im Aachener Süd-Westen an der Grenze zu Belgien Fahrt auf. Genauer gesagt: Am Preuswald. Diesen nutzte im 19. Jahrhundert die gehobene Aachener Gesellschaft als Kurort, in den 1960er und 1970er Jahre entstand die „Siedlung Preuswald“. Was heute eher als sozialer Brennpunkt gilt, war bis in die 80er-Jahre ein gefragtes Wohnviertel. Für eine freie Wohnung ließ man sich damals – vor den fehlenden Investitionen und der somit eintretenden sozialen und infrastrukturellen Spirale des Niedergangs – noch auf lange Wartelisten setzen.

Monzener Straße – Reimser Straße – Entenpfuhler Weg

Unterer Backertsweg

Auf der Lütticher Straße angekommen, hält die Linie 2 am Unteren Backertsweg, der zum Zentrum für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe „Maria im Tann“, hinter dem Aachener Kletterwald, führt. Wo heute rund 220 Kinder und Jugendliche leben und Obhut finden, stand zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Kuranstalt für Lungenkranke. Diese wurde 1909 errichtet, weil viele Bürger der Stadt unter den Abgasen und dem Staub der Tuch-, Nadel- und Bergbauindustrie litten.

Waldschenke – Ronheider Berg – Ronheide 

Nun passiert die Linie 2 die prächtigen Straßen und Villen des Aachener Südviertels. Entlang parkender Autos von teuren Marken, steigen weitaus weniger Fahrgäste als auf den übrigen Streckenabschnitten und Stadtvierteln in den Bus.😉

Brüsseler Ring

Die Haltestelle „Brüsseler Ring“ befindet sich genau genommen gar nicht mehr auf dem Ring, sondern bereits auf der Kaiser- Friedrich-Allee, sicherlich eine der imposantesten Straßen der Stadt. Hier steht seit 1923 der „Tritonenbrunnen“, der einen griechischen Meeresgott zeigt. Er wird im Aachener Volksmund auch „Wassermann“ genannt und stand eigentlich mal auf dem Bahnhofsvorplatz, um anlässlich der Fertigstellung des neuen Bahnhofes (1905) Ersatz  für ein Kriegerdenkmal zu sein.

Yorckstraße

Kaiser-Friedrich-Park

Den Kaiser-Friedrich-Park kennt nicht nur die Linie 2 gut. Jeder Aachener spaziert mindestens einmal pro Hochsommer durch oder an ihm vorbei, liegt er doch vor den Toren des einzigen Freibads der Stadt Aachen: dem Hangeweiher. Im 19. Jahrhundert diente den Aachenern noch der angrenzende Kahnweiher, den heutzutage Enten und Tretboote ihr Zuhause nennen, als Freibad – das damals übrigens ausschließlich männlichen Badegästen zur Abkühlung diente. Erst 1934 entstand das angrenzende Schwimmbad „Hangeweiher“. Die Augen sollten hier aber nicht nur passionierte Schwimmer und Badefans offen halten. Auf der Aachener-und-Münchener-Allee können Straßenbahn-Begeisterte – kurz vor dem zum Hangeweiher führenden Kreisverkehr – noch alte Bahngleise in der Straße entdecken.

Den dekadentesten Teil Aachens hat die Linie 2 nun hinter sich gelassen – obwohl es auch an der Schillerstraße immer noch „wohlhabend“ duftet. Wesentlich interessanter als die vielen großen Autos, die auch hier noch am Straßenrand stehen, ist aber die Geschichte rund um die Schiller- und Goethestraße. Den angrenzenden „Nelson Mandela Park“ nennen die Aachener auch den „Alten Klinikumspark“, da hier – der Name verrät es – einst das Aachener Klinikum stand. Ein weitläufiges Gelände, auf dem die einzelnen medizinischen Abteilungen in Pavillons untergebracht waren. Der gute Ruf des Klinikums und die damit immer weiter steigende Patientenzahl erforderten einen Neubau im Stadtteil Melaten, der 1971 begonnen wurde.

Reumontstraße

Über der Linie 2 rauschen auf den Gleisen, kurz vor dem Bahnhof Schanz, vielleicht gerade der RE 4, RE 18, die RB 20 oder RB 33 entlang, wenn sie unter der Eisenbahnbrücke kurz vor der Haltestelle Reumontstraße entlang fährt. Der Ort, an dem die Linie echte Aachener „Kult-Luft“ schnuppert. Denn auf der nahegelegenen Südstraße haben nicht nur einige angesagte Bars ihren Sitz, hier findet auch jedes Jahr das bekannte Südstraßenfest statt. Übrigens: Früher gab es in der Südstraße, als Mittelpunkt des Reumontviertels, viele Geschäfte, durchquert wurde sie von der Aachener Straßenbahn. Sie diente als Einkaufsstraße für die wohlhabenden Bewohner des Aachener Südviertels. Ende des 19. Jahrhunderts entstand der Marschiertor-Bahnhof (neben dem damaligen Rheinischen– und heutigen Hauptbahnhof), der im zweiten Weltkrieg zerstört und danach nicht mehr aufgebaut wurde. Damals diente der östliche Teil der Reumontstraße als Bahnhofsvorplatz. Hier befanden sich auch die Dienstwohnungen der Bahndirektoren. 1954 entstanden die Eisenbahner Miethäuser an der Reumontstraße: 45 Sozialwohnungen für Eisenbahner, denen es nach dem Krieg oft an finanziellen Mitteln fehlte.

Boxgraben

Am Boxgraben erinnert heute noch der Sitz des Bischöflichen Hilfswerks „Misereor“ an seinen alten Spitznamen. „Drei-Räuber-Eck“ nannten die Aachener das Gebiet rund um das alte Polizeipräsidium (mittlerweile bekannt als die Karmeliterhöfe), den ehemaligen Sitz des Bischofs und des Finanzamts.

Die Linie 2 nähert sich nun der Aachener Innenstadt, wo das quirlige Innenstadtleben auf viele historische Sehenswürdigkeiten trifft. An einigen von ihnen fährt die Linie täglich vorbei.

Alter Posthof – Elisenbrunnen

Viele Gebäude der Aachener Innenstadt haben eine weitreichende historische Geschichte. Während der Alte Posthof einst als Kapuzinerkloster diente (erbaut 1614), ist der Aachener Elisenbrunnen ein klassizistischer Bau, der für viele Aachener als Repräsentant der berühmten heißen Quellen der Stadt steht. Die offene Brunnenhalle wurde hier zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet. Hier sollten die Kurgäste der Stadt das zwar nach faulen Eiern stinkende, aber sehr gesunde, schwefelhaltige Thermalwasser der Kaiserquelle trinken können. Das Thermalwasser der Kaiserquelle ist über 50 Grad warm, weswegen man auch von den „heißen Quellen“ spricht.

Bushof

Am wichtigsten Knotenpunkt des Aachener Busverkehrs, an dem man täglich mehrere tausend Bus-Abfahrten pro Tag zählt, macht natürlich auch die Linie 2 Halt. Was zunächst nur eine Fläche mit vielen verschiedenen Haltestellen war, wurde 1973 zum „Bushof“, wie die Aachener ihn heute kennen. In den 70er Jahren galt das Gebäude als äußerst modern, was heute kaum vorstellbar ist. Übrigens: Kurz nach der Eröffnung des Bushofs wurde 1974 der Straßenbahnverkehr eingestellt. Das Aachener Straßenbahnnetz war zeitweise eines der größten Deutschlands.

Hansemannplatz – Kaiserplatz

Seinen Namen verdankt der Hansemannplatz David Hansemann, der sich im 19. Jahrhundert, im Zuge der industriellen Revolution, für die Förderung des Eisenbahnbaus im Rheinland einsetzte und Mitglied des Aachener Stadtrats war. An einen einst prächtigen Kaiserplatz, umgeben von opulenten Jugendstil-Häusern, erinnert heute nur noch wenig. Viel mehr ist er Verkehrsknotenpunkt und sozialer Brennpunkt, an dem sich primär die Drogenszene der Stadt aufhält. An beiden Plätzen erinnern Denkmäler an die Namensgeber.

Die Linie 2 verlässt die Innenstadt. Erster Halt Richtung Osten: Scheibenstraße auf dem Adalbertsteinweg.

Josefskirche

Wie praktisch, dachte sich wohl einst auch die Linie 2. Denn wo heute nur noch das Aachener Justizzentrum seinen Platz hat, befand sich früher – nebenan – auch das Gefängnis. Wer zur Haftstrafe verurteilt wurde, hatte es im Zweifel nicht weit. Mit dem Abriss des alten Aachener Gefängnisses verschwand ein Stück Aachener Geschichte und beim Neubau des Justizzentrums blieb nur das Torhaus des alten Gefängnisses als historische Substanz erhalten.

Wer damals als Angeklagter mit einer Verurteilung zu rechnen hatte, war vielleicht noch so schlau, gleich um die Ecke – beim wohl berühmtesten Aachener Eisladen „Delzepich“ – noch eine letzte Kugel des (viele sagen es) besten Eis der Stadt zu genießen, bevor es auf direktem Wege in die JVA ging.

Elsaßstraße – Kennedypark

Die Elsaßstraße ist berühmt und berüchtigt zugleich. Keine andere Straße der Stadt steht für so viel bunte Kultur und gutes Essen. Wer das beste türkische Essen der Stadt sucht, findet es dort mit Sicherheit. Das Mangal gilt als erstes türkisches Restaurant der Stadt, sogar des ganzen Bundeslandes NRW. Doch der angrenzende Kennedypark ist nicht gerade mit dem besten Ruf behaftet. Wo sich heute die Grünanlage im Osten Aachens befindet, lag bis in die 60er-Jahre ein Militärgelände, die „Gelbe Kaserne“, von der heute nur noch acht, den Eingang des Kennedyparks zierende Säulen, übrig sind.

Geschwister-Scholl-Gymnasium, Am Rott

Continental

In der Hüttenstraße mitten im Aachener Stadtteil Rothe Erde, „liest“ die Linie 2 nun echte Aachener Industriegeschichte. Hier stand einst ein großes Hüttenwerk. Dieses Werk namens „Aachen Rothe Erde“ wurde 1847 in Betrieb genommen. „Rothe Erde“ war der größte Stahlproduzent Deutschlands. Nachdem die Hütten 1926 geschlossen wurden, erwarb ein Geschäftsmann die noch vorhandenen Schuttberge und verkaufte diese für die Erde auf den Sportplätzen ganz Europas. Und auch zukünftig wird die Linie 2 Zeuge historischer Entwicklungen: Seit Ende September steht fest, das Reifenwerk „Continental“ schließt Ende 2021 am Standort Aachen.

Barbarakirche – Fringsgraben

Über den Madrider Ring erhält die Linie 2 Einzug in den Aachener Stadtteil Eilendorf, der Ortsteil im Aachener Osten, der zum beliebten Wohnort für junge Familien geworden ist. Die Haltestelle Josefstraße ist vor allem im Frühjahr eine besondere Augenweide, denn hier blühen die Kirschblütenbäume besonders prächtig.

Kaiserstraße, Stapperstraße

Hansmannstraße (Eilendorf Bahnhof)

Wo wir heute gar nicht mehr von einem Bahnhof, sondern vielmehr einem Haltepunkt sprechen, stand früher einmal ein imposantes Bahnhofsgebäude, das 1988 allerdings abgerissen wurde. Bis zur Schließung im Jahr 1923 fand im Bahnhof Eilendorf der Güterumschlag des Dampfsägewerkes Cornelius Kuckelkorn statt. Außerdem verfügte der Bahnhof über eine Sturzbühne, die von den in Eilendorf und Nirm ansässigen Kalkwerken genutzt wurde.

Stollenweg, Hahnweg 

Eilendorf Markt

Kaum zu glauben, aber am Eilendorfer Markt, wo bis in die 70er-Jahre die aus der Stadt kommende Straßenbahn endete, gab es einmal einen Kinosaal mit über 500 Sitzplätzen. Den suchen die Fahrgäste der Linie 2 heute vergebens, dafür finden sie das vielleicht beste Gyros der Stadt im Imbiss „Thessaloniki“.

Apolloniaweg

Die Linie 2 steuert ihre letzte Haltestelle an, in Eilendorf, dem Dorf der langen Füße. Warum man das so sagt, weiß niemand so genau. Der Volksmund behauptet aber durch verschiedene Generationen hinweg, Eilendorfer sollen große Füße haben. Vielleicht liegt es daran, dass man vom Anfang bis zum Ende Eilendorfs einige Kilometer laufen muss und dafür große Füße braucht. Ein Glück, dass die Linie 2 allein 9 Haltestellen quer durch Eilendorf abfährt und den Eilendorfern den langen Fußweg von der Josefstraße bis zur Endhaltestelle Schubertstraße erspart. Wer doch lieber läuft: Ein Wanderweg führt rund um Eilendorf, der an diese Anekdote angelehnt „Auf großen Füßen“ heißt.