Dr. Dominik Elsmann arbeitet seit 7 Jahren beim AVV und bildet dort seit einigen Jahren gemeinsam mit seiner Kollegin Julia Quitmann die Euregionale Koordinierungsstelle. Was man unter einer „Euregionalen Koordinierungsstelle“ überhaupt versteht, hat er uns für den Blog einmal ganz genau erklärt.

Dominik Elsmann

Leiter der Euregionalen Koordinierungsstelle

„Es muss Kümmerer geben, ansonsten passiert da nicht viel“

Die Euregionale Koordinierungsstelle gibt es seit 2004/seit Beginn der 2000-er Jahre. Das Engagement begann Anfang der 90-er Jahre mit der Einführung des Euregiotickets. Der AVV erklärte sich damals zum Ziel, sich so um Belange der grenzüberschreitenden Mobilität zu kümmern und sich für die Weiterentwicklung einzusetzen – und das nicht nur aus der Perspektive des eigenen Verkehrsverbundes, sondern in Repräsentanz aller Teilregionen und aller Verkehrsunternehmen in der Euregio. „Wir werden für diese Aufgabe auch nicht von anderen bezahlt – das ist, was wir im AVV als wichtig empfinden und was auch in unserem politischen Auftrag abgebildet ist. Wir setzen uns in der Region besonders dafür ein, wo wir liegen, weil wir genau wissen, dass der Bereich des grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehrs kein Selbstläufer ist. Da muss es Kümmerer geben – ansonsten passiert da nicht viel. Und diese Kümmerer, das sind wir.“ Elsmann erinnert sich noch gut an die Anfänge seiner Arbeit und schmunzelt: „Anfangs waren das wirklich sehr dicke Bretter, die zu bohren waren, inzwischen ist das Commitment auch jenseits der Grenze ganz klar erkennbar, auch über den AVV hinaus, bis in die Landesregierung hinein.“ Ein Grund dafür? Im Koalitionsvertrag der aktuellen Landesregierung steht grenzüberschreitende Zusammenarbeit weit oben auf der Agenda. „Das zeigt denke ich ganz gut, dass unsere Arbeit einen hohen Stellenwert hat“, resümiert Elsmann.

Dr. Dominik Elsmann ist 34 Jahre alt. Ein sympathischer, gewitzter, aufgeschlossener Mann, frischgebackener Papa und – so ganz nebenbei 😉 – auch der Leiter der Euregionalen Koordinierungsstelle im AVV. „Wir sind im AVV als querschnittsorientierte Stabstelle aufgestellt, das heißt, dass wir im Kern eine kleine Abteilung bilden, aber themenbezogen immer wieder auf Kollegen aus anderen Abteilungen zugreifen und sie mit hinzuziehen können. ‘Wir‘ – das sind für den AVV meine Kollegin Julia Quitmann und ich. Ich leite die Stelle, Julia Quitmann ist vor allem im Projekt EMR Connect aktiv. ‚Wir‘, das ist aber durchaus auch als Koalition der Willigen zu verstehen – damit meine ich all diejenigen, die sich dafür einsetzen, dass im Bereich der grenzüberschreitenden Mobilität noch mehr möglich wird, als es derzeit ist. Damit schließe ich also all unsere Kollegen ein.“

Eine klassische Aufgabe seiner Stabstelle ist zum Beispiel die Weiterentwicklung und Kopplung des grenzüberschreitenden Ticketings. Elsmann selbst versteht sich in seiner Funktion als „eine Art Stakehold-Manager“, dessen persönliche Expertise zwar der Bereich Digitalisierung ist, der aus dem Pool seiner Kollegen und seines erweiterten Netzwerks Expertenrunden zusammenstellt. „Wenn wir zum Beispiel mit dem niederländischen Verkehrsunternehmen Arriva an einem Tisch sitzen und überlegen, wie wir den grenzüberschreitenden Tarif weiterentwickeln können, dann nehme ich gerne Kollegen aus dem Bereich Tarif mit hinzu, damit unsere Experten mit dabei sind. Ich selbst kann gar nicht bis ins letzte Detail die Expertise der einzelnen Abteilungen abbilden.“ Das Positive? Das führt bereits bei den ersten Gesprächen zu einem Wissenstransfer. Alle Kollegen sind informiert, wissen worum es geht und was es vorzubereiten gilt. „Und drückt bei einem Thema mal der Schuh, können alle kreativ mitdenken und Ideen konzipieren, die das Problem lösen könnten“, ergänzt er.

„Was wir eigentlich ganz genau machen, ist schwer zu beschreiben, weil das kein 0815-Job ist.“


Obwohl es für Elsmann schwer ist, seine Aufgaben in einem klassischen Tagesablauf zu beschreiben, findet er eine Erklärung, die es erleichtert, sein Tätigkeitsfeld zu verstehen: „Man kann es sich vielleicht so vorstellen: Wir sind ein Single-Point-of-Contact, der versucht, ein Netzwerk aufzubauen oder ein Netzwerk zu bedienen, das sich aus ganz vielen Akteuren auf der jeweiligen Seite der Grenze zusammensetzt.“ Diese Akteure sind unter anderem Aufgabenträger, Kommunen, Ministerien, öffentliche Institutionen, Verkehrsunternehmen, Fahrgastverbände, Universitäten. „Wir versuchen, genau die richtigen Leute zusammenzubringen, um unsere Agenda – also gewisse Punkte, die wir vorwärtsbringen wollen, proaktiv voranzutreiben.“ Darüber hinaus sind Dominik Elsmann und seine Kollegin Julia Quitmann Ansprechpartner für all diejenigen, die auf der Suche nach dem richtigen ‚Counterpart‘ sind, um grenzüberschreitend Dinge möglich zu machen. Das kann zum Beispiel die Elektrifizierung einer Bahnstrecke auf der niederländischen Seite der Grenze sein.

„Dann wäre es doch sinnvoll, die Elektrifizierung auch auf der deutschen Seite aufzugreifen, oder?“, lächelt Elsmann entschlossen. Genau hier macht er sich stark, geht auf die Suche nach den richtigen Ansprechpartnern, bündelt Themen, treibt die Organisation der nötigen Schritte voran. Elsmann und seine Kollegin Quitmann sind dabei nicht nur Ansprechpartner für alle politischen, verwaltungsseitigen und operativen Belange, sondern arbeiten darüber hinaus auch proaktiv in den einzelnen Projekten mit. „Um einen Hebel für all die Themen zu bekommen, versuchen wir auch aktiv, Mittel zu akquirieren, die unsere Ideen und Projekte letztlich möglich machen.“

„Das ist teilweise schon ein ganz schönes Mammutunterfangen.“

Diese Mittel auch wirklich zu akquirieren – nicht immer eine einfache Aufgabe für Elsmann. „Das Thema Geld ist natürlich immer so eine Sache“, lacht Elsmann. „Die Haushalte sind bei ÖPNV-Unternehmen in der Regel nicht zum Bersten voll, Geld ist da eigentlich eher Mangelware. Deshalb kehren die Länder erstmal vor ihrer eigenen Haustüre.“ Was er damit meint? Der Modal Split im grenzüberschreitenden ÖPNV ist deutlich niedriger als im Binnenverkehr: In deutschen Städten hat man einen Anteil von 10 % des ÖPNVs, im grenzüberschreitenden Bereich sind es 2-3 %. Dennoch versuchen er und sein Team, zusätzliche Mittel zu akquirieren, um so grenzüberschreitende Maßnahmen weiterzuentwickeln. Der Schwerpunktbereich dieser Maßnahmen: Tarifierung und das Ticketing. „Im Ticketing haben wir vor 4 Jahren mit dem European European Travellers Club (kurz ETC) angefangen, setzen die Inhalte gerade im Folgeprojekt easyConnect fort“, erklärt Elsmann. Die Euregionale Koordinierungsstelle arbeitet hier an der Frage, wie das Ticketing grenzenlos funktionieren kann und der Fahrgast der Komplexität, die hinter der grenzübergreifenden Tarifierung steckt, nicht mehr ausgesetzt ist. Denn die Ausgangssituation in Deutschland ist natürlich eine andere als in den Niederlanden – Möglichkeiten, Kultur und Mentalität der Fahrgäste unterscheiden sich voneinander. Hinzukommen sprachliche Barrieren, die nicht unbedingt beim Fahrgast selbst, viel eher aber auf Marketing-Ebene bemerkbar werden. Ein Slogan, der auf deutscher Seite funktioniert, funktioniert nicht zwangsläufig auf Niederländisch oder Französisch. „Das ist teilweise schon ein ganz schönes Mammutunterfangen“, beschreibt Elsmann. Doch er ist mehr als zufrieden über die bereits erreichten Ergebnisse der Euregionalen Koordinierungsstelle. „Mit Blick auf Partner ist die Zusammenarbeit zwischen deutscher und niederländischer Seite inzwischen sehr gut, nahezu vorbildlich. In Richtung Belgien ist es manchmal noch etwas schwerer.“ Das hat vor allem einen Grund. Belgien ist sehr vielschichtig organisiert, setzt sich aus drei Regionen und unterschiedlichen Sprachräumen zusammen. Hinzu kommt die deutschsprachige, autonome Gemeinschaft, die aber nur in gewissen Bereichen tatsächlich autonom ist – nicht aber im Bereich Mobilität. „Da kommt es dann immer wieder zur Situation, dass unser eigentlicher Ansprechpartner auf der belgischen Seite im nächsten Bereich nicht mehr zuständig ist. Das macht es oft schon sehr kompliziert.“ Was für einige Leser nun zunächst trivial klingen mag, ist für Elsmann oft mit tagelanger Arbeit verbunden, überhaupt den richtigen Ansprechpartner zu finden. „Hinzu kommt dann die Herausforderung, dass manchmal gar nicht gewollt ist, dass die richtigen Ansprechpartner gefunden werden.“ Helfen kann dann meist nur das gute Netzwerk, das wiederum über die passenden Kontakte verfügt. „Einfacher wird es dann, wenn die Politik auf uns zukommt und den Wunsch äußert, ein gewisses Thema anzugehen und in diesem Zuge auch die passenden Ansprechpartner liefert.“

Als Blaupause schätzt Elsmann die Zusammenarbeit mit den Niederländern ein. „Wenn man bei Arriva ein Problem hat, sind Kontaktpersonen und Ansprechpartner schnell ausfindig gemacht.“ Das hat auch für den Fahrgast einen Mehrwert. Es gibt klare Beschwerdewege und Leistungsangebote werden greifbar, sichtbar und nutzbar verbessert. Als Paradebeispiel gilt hier die schnelle Zugverbindung zwischen Aachen und Maastricht. Hinzukommen Bereiche, die momentan noch nicht sichtbar sind, an denen aber zurzeit akribisch gearbeitet wird. Das ist zum Beispiel das Smartphone-basierte Ticketing über die Grenze hinweg.

„Mit einem Update zum Ticketautomaten melde ich mich dann in 2 Wochen nochmal…“

Einen Schwenk aus der Geschichten-Kategorie „nicht optimal gelaufen“ erzählt Elsmann außerdem mit einem Schmunzeln. Die Hauptrolle der Anekdote: Ein SNCB-Ticketautomat der belgischen Bahn. „In einem alten Interreg-Projekt entstand 2015 der Plan, dass der belgische Ticketautomat am Aachener Hauptbahnhof aufgebaut werden soll. Ich habe mich darum gekümmert, dass es vorwärts geht – es ist aber sehr lange sehr wenig passiert“, lacht Elsmann. „Nach mehreren Terminen war dann klar, wie der Aufbau administrativ laufen würde, bei einem Ortstermin wurde zudem festgelegt, wo der Automat denn stehen sollte. Der Strom für den Automaten kam dann von der DB Energie, für die benötigte Internetverbindung habe ich ein Konto im Namen der Belgischen Bahn bei der Telekom angelegt. Ich habe die komplette DSL-Anmeldung gemacht – mit dem Ergebnis, dass die Verträge letztlich aus rechtlichen Gründen nicht von der Belgischen Bahn unterschrieben werden durften. Zu der Zeit gab es innerhalb des Projektes einen wöchentlichen Jour Fixe beim AVV, in dem ich immer wieder ankündigte, dass es jetzt wohl noch 2 Wochen dauern würde, bis der Automat am Hauptbahnhof steht“, Elsmann lacht erneut. „Das war irgendwann der ‚Running Gag‘, denn es sollte ab dem Moment der ersten 2 Wochen Deadline noch ganze 3 Jahre dauern, bis der Automat letztlich wirklich aufgebaut wurde.“ Viel Hin und Her. Aber: mit einem guten Ausgang: Der belgische Automat steht auch heute noch am Aachener Hauptbahnhof.

„Von der Durchbindung des ICs von belgischer Seite bis Aachen Hauptbahnhof für eine besser Anbindung, über das Ticketing oder die Vorarbeiten zur Konzeption eines grenzüberschreitenden E-Tarifs, bis hin zu Themen wie Zusammenarbeit der Universitäten in der EMR zu Mobilitätsthemen – wir kümmern uns um einen ganzen Blumenstrauß an Maßnahmen.“

Zurzeit beschäftigen sich Dominik Elsmann und Julia Quitmann in der Euregionalen Koordinierungsstelle des AVV neben „easyConnect“ vor allem mit 2 Hauptprojekten: „EMR Connect“ und „MaaS Benelux (Mobility as a Service)“. „Das Interreg Projekt ‚EMR Connect‘ läuft seit dreieinhalb Jahren. Von der Durchbindung des ICs von belgischer Seite bis Aachen Hauptbahnhof für eine besser Anbindung, über das interoperable Ticketing oder die Vorarbeiten zur Konzeption eines grenzüberschreitenden E-Tarifs, bis hin zu Themen wie Zusammenarbeit der Universitäten in der EMR zu Mobilitätsthemen. Hier kümmern wir uns um einen ganzen Blumenstrauß an Maßnahmen.“ Im Projekt MaaS Benelux (Mobility as a Service) arbeitet die Euregionale Koordinierungsstelle eng mit dem Verkehrsministerium NRW zusammen und untersucht Grundlagen, wie Mobility as a Service in der Benelux-Region aussehen kann. „Wir fragen uns, welche Grundlagen geschaffen werden müssen, dass grenzüberschreitende Mobilität in diesem großen Verflechtungsraum – Luxemburg, Belgien, Niederlande, NRW – gebündelt werden und wachsen kann. Und eins kann ich sagen: Es wird eine echte Herausforderung!“ Im MaaS Beneluxprojekt sollen die Akteure nun die gemeinsamen Entwicklungen identifizieren und analysieren, um den kleinsten gemeinsamen Nenner ausfindig zu machen. „Auf dem kann man dann aufbauen, wenn man dafür Sorge tragen will, dass sich die Region möglichst interoperabel weiterentwickelt.“ Das MaaS Benelux Projekt ist zurzeit also noch ein sehr konzeptionelles Projekt, dass die Basis und das Bewusstsein dafür schaffen soll, gemeinsam an grenzüberschreitenden, europäischen Lösungen zu arbeiten – der Kerngedanke der Euregionalen Koordinierungsstelle.

„Die Grenze bleibt immer. Doch die entscheidende Frage ist doch: Wie kann man erfolgreich eine verbindende Brücke bauen?“

Dieser Kerngedanke scheint in Zeiten wie diesen aktueller denn je. Strukturelle Ansätze, die es schaffen, Grenzen verschwinden zu lassen – vielleicht eines Tages einmal in ganz Europa. „Wir Aachener sind doch wahnsinnig prädestiniert, in einer europäischen Grenzregion aufgewachsen zu sein. Einfach mal einen kurzen Abstecher nach Maastricht oder Lüttich machen – das ist für mich wie Urlaub.“ Ein Gut – die aktuelle Lage im Osten Europas zeigt es – das nicht selbstverständlich hingenommen werden sollte. Wichtig ist hier ein europäischer, verbindender Gedanke. Dazu zählt dann auch eine Banalität wie ein Bus-Ticket. „Und wenn das Bus-Ticket von Aachen bis nach Heerlen gilt, wieso dann nicht auch bis nach Maastricht. Und wenn es bis nach Maastricht gehen würde, könnte man ab dort dann wieder eine neue Brücke bauen?“